Die "Lockheed Lounge" des Australiers Marc Newson brachte bei Sotheby's in New York knapp eine Million Dollar.

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Frédéric Dedelleys "Deeply superficial Object"

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Gartenbankl "Landen" von Konstantin Grcic für Vitra

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Zaha Hadids "Aqua Table"

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"Crochet-Lamp" aus Kunstharz von Marcel Wanders

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Der amerikanische Künstler Donald Judd war überzeugt: "Design has to function, art has not." Dieses Diktum galt lange Zeit. Design hatte die Aufgabe, den alltäglichen Umgang mit der Welt zu verbessern - mit gut gestalteten, funktionalen und seriell hergestellten Produkten. Heute ist Design die neue Kunst oder zumindest ein Teil davon. Zu dieser Ansicht kann kommen, wer sich den Designmarkt anschaut.

Dort herrscht Goldgräberstimmung. Im Fahrwasser des boomenden Kunstmarkts floriert auch das Geschäft mit der Objektgestaltung. "Designer profitieren enorm vom Kunsthype", erklärt Jeremy Morrison, Design-Experte des Auktionshauses Sotheby's in London. Design- objekte sind also auf bestem Wege, die gleiche Wertschätzung wie Kunstwerke zu erfahren. Spitzenpreise werden vor allem in New York erzielt, dort, wo kaufkräftige Amerikaner die Preise für Kunst nach oben schrauben.

Tisch für 3,8 Millionen Dollar

Für bis zu sechsstellige Beträge wechseln Stühle, Leuchten und Tische bei Auktionen von Sotheby's, Christie's oder Phillips de Pury ihren Besitzer. Möbel von Charlotte Perriand, Jean Prouvé oder Carlo Mollino gelten als "Bluechips" und damit als sichere Bank. 2005 wurde ein Tisch von Carlo Mollino bei Christie's um die sagenhafte Summe von 3,8 Millionen Dollar versteigert.

Dass Designikonen Rekordpreise einspielen, ist einigermaßen bekannt. Neu ist, dass auch zeitgenössisches Design vom boomenden Markt profitiert. Wie groß dabei das Potenzial ist, zeigt das Beispiel Marc Newson: Er gehört - neben Ron Arad, Ross Lovegrove und Zaha Hadid - zu den Spitzenreitern im Auktionshandel. Der Prototyp seiner silbern blitzenden "Lockheed Lounge" wurde vor sechs Jahren bei Christie's noch für 105.000 Dollar hergegeben. Im vergangenen Jahr brachte die bauchige Liege bei Sotheby's in New York bereits knapp eine Million Dollar.

Prototypen, als "One-off"

Begehrt ist, was rar ist: Prototypen, als "One-off" bezeichnete Unikate und limitierte Editionen, angelegt als Sammlerstücke. Da sind Marketingstrategen nicht weit. Die künstliche Verknappung als Geschäftsmodell perfektioniert zum Beispiel das britische Label Established & Sons. Das Unternehmen bringt als Teil seiner Kollektion limitierte Editionen auf den Markt, darunter Zaha Hadids "Aqua Table" aus dem Jahre 2005. Kaum waren die ersten Stücke des eigenartigen Tischs erhältlich, wurde einer der beiden Prototypen für 296.000 Dollar versteigert. So laut hatte ein Stück zeitgenössisches Design bei Phillips de Pury noch nie die Kasse klingeln lassen.

Und noch etwas: Limitierte Editionen und Unikate erlauben Experimente fernab vom Diktat der Serienherstellung. Bei Vitra besann man sich jüngst auf ein Vorbild im eigenen Haus. Bereits Ende der 1980er-Jahre hatte das Unternehmen eine Limited Edition präsentiert, darunter den Sessel "Little Beaver" von Frank O. Gehry. "Damals gab es kaum einen Markt für limitierte Objekte", erinnert sich Vitra-Chairman Rolf Fehlbaum. Das ist heute anders. Schon kurz nach der Präsentation der neuen Sammleredition im Juni waren rund zwei Drittel der Stücke - limitierte Arbeiten, One-offs und Prototypen - von Käufern reserviert.

Gutes Alltagsdesign und provozieren

Der Münchner Designstar Konstantin Grcic steuerte zur zweiten Vitra Edition ein wuchtiges Stahlmöbel für den Außenbereich bei, rund 20.000 Euro muss ein Sammler für das exquisite Gartenbankerl lockermachen. "Es kümmert uns nicht", sagt Fehlbaum, ob ein solches Werk nun Kunst oder Design ist. "Wir wollen beides - gutes Alltagsdesign herstellen und gleichzeitig Diskussionen provozieren."

Provozieren will auch Marcel Wanders. Der holländische Designer und Art Director des Labels Moooi schmiedet das Eisen, solange es heiß ist: Seine Edition "Contemporary Renaissance of Humanity" besteht aus Stühlen, gefertigt aus Hightech-Häkelmaterial, Sideboards aus sandgestrahltem Carrara-Marmor und überdimensionalen Vasen in Delfter Blau. Ein Gros der Exponate hat bereits Käufer gefunden, schließlich gilt Wanders als heißer Investment-Tipp. Das Auktionshaus Philipps de Pury hat für solche Stücke eigens den Begriff "Design Art" geprägt: Wohnskulpturen statt Gebrauchsdesign.

Limitierte Editionen

Die Entwicklung verändert die Designbranche. Immer mehr junge Designer entdecken die Strahlkraft limitierter Editionen. Wie Wanders setzen auch Richard Hutten, Jaime Hayon oder Studio Job auf exklusiv Begrenztes. Und während in Wien das Designerinnen-Duo Polka eine limitierte Topf-Serie zwischen Skulptur und Alltagsobjekt auf den Markt bringt, präsentiert in Zürich zum Beispiel Frédéric Dedelley in der Designgalerie von Franziska Kessler seine Objekte: "Deeply superficial Objects", 15 mit Kaltglasur überzogene, lasergeschnittene Styroporobjekte, die auf je fünf Exemplare beschränkt sind. "Mich reizte es, ein Unikat aus einer maschinell variierbaren Form zu machen", sagt Frédéric Dedelley. Handwerk trifft auf Industrie.

Die Randbereiche und Schnittmengen von Design und Kunst sind derzeit zweifellos besonders reizvoll für Designer. Die Grenzen zwischen Design und Kunst verwischen zusehends. Design muss heute scheinbar ebenso wenig funktionieren wie Kunst. Und dennoch: Auch das teuerste Unikat wurde, so kann man wenigstens hoffen, ursprünglich zum Benutzen gestaltet. Eine Frage bleibt jedoch: Kann man sich ohne Gewissensbisse auf eine solche Wertanlage wie Ron Arads 450.000 Euro teuren Inox-Schaukelstuhl "Thumbprint" einfach hinsetzen? (Andrea Eschbach/Der Standard/rondo/23/11/2007)