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Grafik: Collegno/red
Schwer stöhnen die CD-Firmen unter der kaum geschäftsfördernden Mode, Musik aus dem Internet (und dies unentgeltlich) herunterzuladen. Auch in Zeiten wie diesen kann jenes Erlebnis jedoch, das der Firma col legno beschert wurde und sie kurz sogar auch für den Boulevard interessant gemacht hat, eher als exotisch gelten. Ein offensichtlich der klassischen Moderne extrem zugeneigter Kunstdieb hat nämlich aus einem Lager der Firma unlängst an die 1000 Exemplare von Luigi Nonos Prometeo -CD mitgehen lassen - während er alle andere Produkte verschmähte.

Allerdings hätte es da auch sonst interessante Mitnahmeobjekte gegeben. Das Traditionslabel für Anspruchsvolles, das seit den frühen 1980er-Jahren arbeitet, hat zwar schwere Schuldenzeiten erlebt. Seit es jedoch von der Privatstiftung Helene und Christian Köck übernommen wurde, seit auch Dirigent Gustav Kuhn und Multitalent Andreas Schett gestalterisch und künstlerisch mitwirken, wagt man einen spektakulären Neustart, der das Repertoire durchlüftet und, trendmäßig betrachtet, antizyklisches Labelverhalten symbolisiert - hier wird investiert und produziert, man kommt aus dem freudigen Staunen nicht heraus.

Gerade kommt - rechtzeitig zum Wiener Ring des Nibelungen an der Staatsoper - eine luxuriöse Box heraus, auf der Schauspieler und Ring-Regisseur Sven-Eric Bechtolf das ganze "Tetralogie-Werklein" Wagners liest - stolze neun CDs füllt die "logopädische Zirkusnummer" (Bechtolf).

Ein anderes Hörbuch widmet sich Günter Brus. Die autobiografische Erzählung des Künstlers, Die gute alte Zeit, gelesen von Bernd Jeschek, ist jedoch nicht einsam. Zwischen den Worten leuchtet immer wieder Musik auf - von Schnittke, Kurtág, Cage, Feldman ... es wird diese Veröffentlichung so auch zu einer Art kleinem Überblick über die Musikmoderne, die wichtiger Teil des Label-Repertoires auch in Zukunft bleiben soll. Man sieht schon: Es werden nicht nur einfach CDs veröffentlicht. Da geht es auch um durchdachte Konzepte mit Mehrwert, die mitunter Tradition und Moderne produktiv versöhnen. Nocturnal Walks etwa bringt das Haydn Orchestra of Bolzano and Trento, geleitet von Gustav Kuhn, das sich in einem federleichten Klangansatz Haydns Symphonie Nr. 27 widmet. Dem Werk gegenübergestellt wird dann aber Franz Koglmanns Auseinandersetzung mit Haydn, Nocturnal Walks. Um die Sprechstimme von E. M. Cioran entfaltet das ensemble xx. jahrhundert unter Peter Burwig ein subtiles Kammermusikspiel, aus dem der Haydn-Ton als Farbe hervorschimmert und in dem Koglmanns raffinierte, am Third Stream orientierte Gedankenwelt erwacht. Die Poesie des Wieners überzeugt durch Prägnanz der kontrastreichen Gedanken, die das orchestrale Potenzial ausschöpfen.

Stilweite ist wichtig für col legno: Inzwischen hat auch die Schett-Formation Franui mit ihren Versionen von Schubert-Liedern, die "Franzl" auf einen volksmusikalischen Background hin deuten, reüssiert. Und mittlerweile ist auch Wolfgang Mitterers Kinderoper Das tapfere Schneiderlein erschienen - all die Klang- und Geräuschvielfalt Mitterers ist in Kombination mit einem zugänglichen Melos zu vernehmen.

Zur vollständigen Erfassung der Produkte empfiehlt sich der Besuch der tollen Homepage www.col-legno.com, da ist auch zu lesen, wie es weitergeht. Es werden Salzburger Festspieldokumente erscheinen, auch Eindrücke von den Osterfestspielen. Zudem erscheinen auch die Wagner-Aufnahmen, die Kuhn bei seinen Festspielen in Erl erarbeitet hat. Demnächst kommt auch seine integrale Aufnahme der Beethoven-Symphonien. Und Stil-Multitalent Wolfgang Mitterer präsentiert sich bald mit seinem ersten Pop-Album. Dazu später mehr. (Ljubisa Tosic / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.11.2007)