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Es rauscht im englischen Blätterwald.

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Luiz Felipe Scolari, Jose Mourinho, David Beckham, Martin O'Neill, Guus Hiddink, Sam Allardyce und Sven-Göran Eriksson werden von einer Wettfirma vor der "English Football Association" in Stellung gebracht.

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London - Steve McClaren hat das Scheitern in der EM-Qualifikation als englischer Fußball-Teamchef wie erwartet nicht "überlebt". Am Donnerstagmorgen nach dem 2:3 daheim gegen Kroatien und dem damit verbundenen Verpassen der EURO 2008 in Österreich und der Schweiz wurde McClaren vom englischen Verband FA entlassen. McClaren hatte im Sommer 2006 nach der WM die Nachfolge von Sven-Göran Eriksson angetreten und eigentlich einen Vierjahresvertrag unterzeichnet.

"Wir Engländer haben kein göttliches Recht"

FA-Präsident Geoff Thompson bestätigte auf einer Pressekonferenz die Trennung von McClaren. "Wie jeder England-Fan sind wir alle sehr enttäuscht, dass wir uns nicht für die EM 2008 qualifizieren konnten. Und ich weiß, dass Steve diese Enttäuschung mehr als alle anderen empfindet. Wir Engländer haben kein göttliches Recht darauf, bei jedem großen Turnier mitzuspielen, aber es ist ganz natürlich, dass wir die Qualifikation erwarten", erklärte Thompson. Auch McClarens "Co" Terry Venables wurde entlassen.

Eine zehnköpfige "Notfall"-Kommission der FA trat bereits am Donnerstag zusammen und besiegelte die Entlassung des bereits lange in der Kritik gestandenen Trainers offiziell. Die Teamchef-Bilanz des ehemaligen Trainers von Emanuel Pogatetz bei Middlesbrough war nicht berauschend: In 18 Spielen gab es neun Siege, vier Remis und fünf Niederlagen.

McLaren: "Ich dachte, wir sind bereit"

McClaren hat die volle Verantwortung für das Scheitern Englands übernommen. "Die ist eine riesige Enttäuschung. Ich fühle mich, als ob ich die Fans und das Land im Stich gelassen habe. Ich dachte wirklich, wir sind bereit, aber traurigerweise waren wir dies nicht", sagte McLaren auf einer Pressekonferenz. "Als ich vor 18 Monaten das Amt übernommen habe, war dies der stolzeste Tag meiner Karriere, das heute ist der traurigste."

McLaren wollte nicht zurücktreten, weil er niemals vor etwas davonlaufe. Er hoffe nun, kommende Saison zurück im Fußball zu sein. "Das (der Rauswurf/Anm.) war außer meiner Kontrolle, mir waren die Hände gebunden. Man wird an Resultaten gemessen. Es spielt keine Rolle, wie ich mich sehe, es ging nur um die Ergebnisse auf dem Feld und um die Qualifikation", sagte er. Er glaube, nach 18 Monaten in diesem Job sei er nun ein besserer Trainer. "Wir sind gescheitert. Aber ich werde daraus lernen und schaue nach vorne."

Mourinho als Favorit

Die Spekulationen um die McClaren-Nachfolge sind auf der Insel längst eröffnet worden. Die britischen Buchmacher bieten bereits Quoten an, als Favorit gilt der ehemalige Chelsea-Manager Jose Mourinho. Der Portugiese soll die Engländer in die kommendes Jahr beginnenden Qualifikation für die WM 2010 in Südafrika führen. FA-Boss Thompson erklärte nur, dass die Suche nach einem Nachfolger für den glücklosen McClaren umgehend beginne.

Angeboten hat sich bereits der frühere AC-Milan-, Juventus-, Roma- und Real-Madrid-Coach Fabio Capello. "Das wäre eine schöne Herausforderung. Ich bin im richtigen Alter", sagte der 61-Jährige der "Gazzetta dello Sport" (Donnerstag).

In der "Hall of Shame"

"Das war mein schlimmster Abend im Nationalteam. Das wird noch eine ganze Weile wehtun", klagte Steven Gerrard. Das Image der EURO-2008-Versager werden Beckham, Gerrard und Co. - ähnlich wie die Folgen des einen oder anderen verlorenen Elferschießens bei einem großen Turnier - lange mit sich schleppen. Für die Boulevard-Zeitung "Sun" sind sie "die Lachnummer Europas" und ihren ihren Platz in der "Hall of Shame" bereits sicher. Auf der Titelseite der "Sun" war am Donnerstag ein in der Gosse liegender und zertretener Fußball mit dem "Three Lions"-Wappen zu sehen.

Die 2:3-Pleite gegen die Kroaten sei vergleichbar mit jenem Remis gegen Polen vor 34 Jahren, als man dadurch die WM 1974 verpasst hatte. "Nutzlos, jämmerlich, schwach, antriebslos, verzweifelt", beschrieb die "Sun" das Nationalteam und fügte angesichts des verhauten Matchballs hinzu: "Israel hatte uns am Leben gehalten, aber England hat angeführt von Tormann Scott Carson den Selbstmord gewählt."

"Wenn du verlierst, tut es weh"

Dass der von den Fans als "McClown" verspottete McClaren das erste Opfer dieser Nacht war, war logisch. Dem Trainer gelang es während seines Trainer-Intermezzos nicht, seinen mit Stars wie Wayne Rooney, Michael Owen, Gerrard oder Franck Lampard gespickten Kader zu einer Einheit zu formen. Auch sein inkonsequenter Umgang mit Ex-Kapitän Beckham, den er erst aussortierte und dann zurückholte, wurde dem Nachfolger des Schweden Sven-Göran Eriksson angekreidet. Für die Auflösung seines Vierjahresvertrags soll McClaren mit mehr als drei Millionen Euro abgefunden werden.

Aber auch Richtung Spieler hagelte es natürlich Kritik. Der zur Pause eingewechselte Beckham wies den Vorwurf einiger Journalisten zurück, manchen englischen Fußball-Millionären sei ein Weiterkommen nicht wichtig gewesen: "Glauben sie mir, da ist eine Menge Schmerz in der Kabine. Egal, wie viel Geld du verdienst, wenn du verlierst, tut es weh."

Türkei im Jubel

Besser natürlich die Stimmung in der Türkei: Stürmer Nihat Kahveci hat die türkische Elf zur EM 2008 geschossen und das ganze Land "siegestrunken" gemacht, wie es ein Fernsehsender am Donnerstag formulierte. Auf den Straßen des Landes wurde nach dem 1:0-Sieg über Bosnien am Mittwochabend die ganze Nacht gefeiert.

In Istanbul waren Plätze und Straßen in der Innenstadt wegen der Freudenkundgebungen blockiert, selbst im eisigen osttürkischen Erzurum, wo die Temperaturen bereits weit unter dem Gefrierpunkt liegen, gingen die Menschen mit ihren Fahnen auf die Straße. Die Türken zelebrierten die gelungene Qualifikation so hingebungsvoll, dass man glauben könnte, das Land habe den EM-Titel schon in der Tasche.

Das reinste Heimspiel

Vergessen sind die teils blamablen Leistungen der türkischen Elf in der Qualifikationsrunde, und der kürzlich noch scharf kritisierte Nationaltrainer Fatih Terim verkündet unter allgemeinem Jubel seinen Verbleib im Amt. Schon richten sich optimistische Blicke auf die EM in Österreich und der Schweiz: Wegen der vielen Türken in Westeuropa werde das Turnier für die Türkei zum reinsten Heimspiel, sagen Zeitungen voraus - deshalb lautet das neue Ziel: Finalteilnahme.

Für die Zeitung "Sabah" stand am Donnerstag schon fest, dass die Türkei neben der Schweiz und Österreich im kommenden Jahr zum "dritten Gastgeber" werden wird: Nicht nur in den beiden ausrichtenden Ländern, sondern auch in den benachbarten Staaten Deutschland und Frankreich lebten viele Türken, die im kommenden Juni die EM-Stadien füllen würden. "Unsere Augen und unsere Herzen richten sich nun auf das Finale in Wien", so "Sabah".

Der Torschütze als Realist

Für eine Mannschaft, die noch vor wenigen Wochen gegen Moldawien über ein 1:1 nicht hinauskam, sind das recht natürlich recht optimistische Voraussagen für die erst dritte EM-Teilnahme des Landes überhaupt. Dass die Türkei bei der letzten EM die Qualifikation verpasste und bei den Turnieren der Jahre 1996 und 2000 zusammengenommen gerade einmal drei Tore erzielte, geht im derzeitigen Siegestaumel unter.

Ausgerechnet der als neuer Nationalheld gefeierte Torschütze Kahveci, dessen Name auf Deutsch "Kaffeemacher" bedeutet, holte seine im siebenten Fußball-Himmel schwebenden Landsleuten mit einer nüchternen Analyse wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Bei der EM werde es für die Türkei schwerer als in der Qualifikation, sagte er. Auch Trainer Terim erinnerte daran, dass es bei einer Europameisterschaft keine schwachen Gegner gebe. Wenn große Mannschaften wie England die Qualifikation nicht schafften, dann kämen eben andere wie Frankreich oder Italien auf die Türken zu. Und Italiener und Franzosen, so hätte Terim hinzufügen können, haben es auch nicht weit in die Stadien in Österreich und der Schweiz. (APA/Reuters/AFP)