Wenn Timur, Manlai und Saruul die in der Mongolei als Festtagsspeise bekannten Teigtaschen mit dem eigentümlichen Namen "Huuschuur" füllen, dann können sich Kärntner Kasnudel-Krenglerinnen warm anziehen: Wie da die flinken Finger über den dünnen Teig flitzen, ihn behende falten, sodass binnen weniger Sekunden ein kleines Kunstwerk von einer Teigtasche entsteht, hauchdünn, fein ziseliert und proppevoll mit köstlicher Fleischfülle - das macht einen ziemlich baff.

Die Slowfood Cooks Wien samt Initiatorin Barbara van Melle bei der Arbeit.

Foto: Heribert Corn

Da stehen dann die Festgäste beim Buffet und schauen zu und wollen gleich mitmachen, weil es doch so einfach aussieht. Es klappt natürlich nie. Dann lachen die Mongolen, und die Gäste lachen mit. So funktioniert das, wenn die "Slowfood Wien Cooks" ein Catering bestreiten. Da gibt es Speisen aus aller Herren Länder, aus Biozutaten, jede Einzelne von jemandem gemacht, der wirklich weiß, wie's geht. Denn die Köche sind durchwegs unbegleitete Minderjährige oder junge Erwachsene, die ohne Familie nach Österreich kamen und um Asyl angesucht haben.

Foto: Heribert Corn

Sie kochen, was sie aus der verlorenen Heimat kennen und in der Fremde vermissen. Ein Stück Zuhause, das ihnen niemand wegnehmen kann. Weil Kochen zwar eine handwerkliche Tätigkeit ist, die ein konkretes, kostbares Ergebnis hervorbringt, im Wesentlichen aber aus dem Geist und der Erinnerung geboren wird. Auch bei Timur, dem 15-jährigen Mongolen, der sich 2006 ganz allein bis nach Österreich durchgeschlagen hat. "Seitdem ich zehn bin, stehe ich in der Küche", erklärt er, "ich bin allein mit meinem Bruder aufgewachsen, da ging es nicht anders.

Mongolische Teigtaschen, frisch gerollte

Foto: Heribert Corn

Aber bei uns in der Mongolei ist es ganz normal, dass Burschen auch kochen." Die Teigtaschen mit dem hübschen Namen sind für ihn mehr als ein guter Geschmack am Gaumen: "Sie erinnern mich an daheim. Dort, wo ich kein Fremder war." Vergangenen Sommer kochte er "Huuschuur" zum ersten Mal in Österreich. Für sich. Und für die "Slowfood Wien Cooks", ein von der TV-Journalistin und Slowfood-Wien-Chefin Barbara van Melle initiiertes Projekt, das auf professioneller Basis Caterings anbietet, wie man sie sonst sicher nicht am Markt finden wird.

Foto: Heribert Corn

Aber schön der Reihe nach. Denn eigentlich verbietet ein Erlass des Wirtschaftsministeriums Asylwerbern wie Timur explizit, einem Beruf nachzugehen (gleichzeitig verlangt es freilich, dass er sich integriere ...). Deshalb arbeiten Timur und seine Kollegen auch nicht für das Catering, sondern helfen freiwillig aus und werden dafür mit Gutscheinen für Bekleidung, Telefonwertkarten und Ähnliches belohnt. Jamal aus dem Libanon, Mohammad und Imran aus Afghanistan, die drei aus der Mongolei sind allesamt unbegleitete Minderjährige und junge Erwachsene, die in Österreich um Asyl angesucht haben und vom Projekt "connecting people" der Asylkoordination Österreich betreut werden.

Foto: Heribert Corn

Das Projekt vernetzt die jungen Flüchtlinge mit österreichischen Paten, die ihnen mit Rat und Hilfe zur Seite zu stehen. Das beginnt bei Deutsch lernen und Hausaufgaben machen und führt über die Begleitung bei Behörden- oder Arztbesuchen bis zu gemeinsam gestalteten Wochenenden. Denn die Jugendlichen brauchen erwachsene Bezugspersonen für ihre Persönlichkeitsentwicklung, sie sollen längerfristig Unterstützung erfahren und eine Vertrauensperson zur Seite gestellt bekommen, die ihnen als Asylwerber im Alltag behilflich ist.

Foto: Heribert Corn

Denn der kann bekanntermaßen ziemlich bedrohlich sein. Barbara van Melle lernte das Projekt als Patin kennen. Und befand, dass sich ihr Einsatz hier mit jenem bei Slowfood verbinden lassen müsse. Beim Sechs-Jahres-Fest von "connecting people" im Sommer kochte sie deshalb erstmals mit 18 Kindern und Jugendlichen, die ihr Interesse an kulinarischer Betätigung geäußert hatten - selbstredend mit Bioprodukten, selbstverständlich Gerichte, die für die entwurzelten Kids Heimat verkörperten.

Foto: Heribert Corn

Es gab Warak Enab Bi-Zayt (libanesisch gefüllte Weinblätter), Huuschuur, Ghorme Sabzi (einen mit Kräutern und getrockneten Zitronen gewürzten Lamm-Bohnen-Eintopf nach afghanischem Rezept) und vieles mehr. "Das Ergebnis war überwältigend", erklärt van Melle. Nicht nur, dass die vielen fein gewürzten, exotischen Speisen von den Gästen überschwänglich aufgenommen wurden: "Bei den jungen Köchen selbst war eine wunderbare Veränderung zu bemerken."

Foto: Heribert Corn

Der Geschmack der Speisen von daheim zum einen, die Möglichkeit, nach Monaten beamtenseits verordneter Untätigkeit endlich wieder etwas Sinnvolles tun zu können zum anderen (und dazu noch etwas so Schöpferisches wie Kochen), habe in den Kids "neues Feuer entfacht", so van Melle. Wo vorher Unsicherheit, Verzweiflung, Resignation herrschten, sei plötzlich ein neues Selbstwertgefühl, ein scheues Lächeln, eine "aufrechte Haltung" zu spüren gewesen. "Als ob sie etwas wiedergefunden haben, das auf der Flucht verlorenging", sagt van Melle.

Foto: Heribert Corn

"Es war faszinierend zu sehen, wie positiv sich die Möglichkeit, Speisen aus der Heimat zu kochen und den Menschen hier, in der Fremde, zu kosten geben zu können, auf das Wesen der Kids ausgewirkt hat." Inzwischen gab es mehrere Caterings, wo die jungen Asylwerber aufgekocht haben und ihre Künste während der Veranstaltung im Rahmen einer von van Melle moderierten Kochshow demonstriert haben. Das Echo war jedes Mal sehr positiv. Was nicht weiter verwunderlich ist, da man sich als Veranstalter mit den Köchen aus der Fremde ein ziemlich unschlagbares Package bucht:

Libanesisch gefüllte Weinblätter und afghanische Schmortöpfe werden aus Biozutaten gefertigt. Geschmack: sehr gut.

Foto: Heribert Corn

Wirklich gutes, biologisches Essen der ungewöhnlichen Art, eine Kochshow mit Promifaktor - und das gute Gefühl, mit dem Catering nicht nur ein gutes Werk zu tun, sondern dies auch automatisch den eingeladenen Gästen zu kommunizieren. Eines, so Barbara van Melle, dürfe man sich freilich nicht erwarten: Dass das Catering günstiger sei als vergleichbare andere, weil ja Asylwerber die Arbeit machen: "Unsere Auftraggeber bekommen ein höchst professionell gemachtes Catering mit Bioprodukten. Dem entsprechen unsere Preise." (Severin Corti/Der Standard/rondo/23/11/2007)

www.asyl.at/connectingpeople
www.slowfoodwien.at

Foto: Heribert Corn