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Maurice Béjart (im Bild 1996 in Lausanne) litt an Herz- und Nierenschwäche

Foto: REUTERS/John Schults

Lausanne – Mitten in den Vorbereitungen für seine nächste Premiere, dem Tanzstück "In 80 Tagen um die Welt", ist am Donnerstag der weltberühmte Nestor des neoklassischen Balletts Maurice Béjart im 81. Lebensjahr verstorben. Bis zuletzt und bis zur Erschöpfung hat der Choreograf für seine Truppe, das Béjart Ballet Lausanne, gearbeitet, in jüngerer Zeit auch vom Spitalskrankenbett aus, welches er wiederholt wegen gesundheitlicher Probleme aufsuchen musste, so auch am vergangenen Freitag.

Béjart, geboren in Marseille am 1. Jänner 1927 als Maurice-Jean Berger und Sohn des Philosophen Gaston Berger, stand 1987, als er sein Ballet du XXe Siècle in Brüssel aufgab, für das Ende der neoklassischen Ära. In Brüssel, heute die Drehscheibe der zeitgenössischen Choreografie auf dem Kontinent, ereignete sich ab dieser Zeit eine folgenreiche Neuorientierung in der Tanzästhetik.

Namen wie Jan Fabre, Alain Platel, Anne Teresa de Keersmaeker, Wim Vandekeybus oder Meg Stuart stehen für den Ersatz des von Béjart bestimmten Balletts durch radikale zeitgenössische Ansätze. Fortan wirkte Béjart in Lausanne: von der Ballettwelt sehr respektiert, obwohl seine Bedeutung nur noch historisch war.

Seine Ausbildung hatte er in Marseille, Paris und London erhalten. 1945 debütierte er im Ballett der Marseiller Oper, tanzte unter anderem beim Königlichen Schwedischen Ballett und dann in dem Ensemble der großen Birgit Cullberg, bevor er mit 26 Jahren zusammen mit dem Publizisten Jean Laurent in der französischen Hauptstadt seine eigene Truppe, die Ballets de l’Étoile gründete, aus der 1957 das Ballet-Théâtre de Paris wurde. Béjart hatte bereits 1955 sein programmatisches Werk "Symphonie pour un Homme Seul" choreografiert und war wegen seines konsequenten modernen Stils zunehmend erfolgreich.

Triumph mit "Sacre"

Der internationale Durchbruch als Choreograf gelang ihm 1959 mit seiner Fassung von Strawinskys "Le sacre du printemps". In diesem Jahr übersiedelte er nach Belgien und fusionierte drei Compagnien zu seinem Ballet du XXe Siècle, das für die Pflege moderner Musik und junger Choreografen stand. Er befasste sich mit Eros und Sexualität und wandte sich gesamtkunstwerkhaften Projekten zu. Seine "Spectacles totals" wurden in Zirkusarenen aufgeführt und waren nicht an Kenner gerichtet, sondern an das breite Publikum und an die Jugend. Die Werke hießen etwa "Romeo und Julia", "Neunte Symphonie" oder "Bakhti"; in "Die Sieger" beschäftigte er sich 1970 mit Richard Wagner.

Im Oktober 1971 brachte er im Brüsseler Sportpalast das Megaspektakel "Nijinsky, clown de Dieu" heraus. Die Ballettkritik war darob wenig amüsiert. Béjart aber verkündete, dass das Theater eine untrennbare Einheit aus Zuschauern, Chor und Darstellern sei. 1973 wurde er für seine Choreografie zu Pierre Boulez’ "Marteau sans maître" an der Mailänder Scala gefeiert. 1982 hatte seine Hommage "Wien, Wien, nur du allein" großen Erfolg.

In Lausanne führte er sich mit "Souvenir de Leningrad" ein und setzte seine großformatigen Arbeiten fort. Doch 1992 änderte er sein Repertoire. Er gründete eine multidisziplinäre Ballettschule, Rudra École-Atelier. Seine Arbeiten gestalteten sich von da an als weniger ausufernd. Immer wieder verlängerte Béjart seinen Lausanner Vertrag, und 2001 hieß es schon, er bereite seinen Abschied vor. Er hat es bis zuletzt nicht übers Herz gebracht. (Helmut Ploebst / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.11.2007)