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Beschäftigung, Klimaschutz, Lebenszufriedenheit und soziale Integration – all das kann und muss die Wohnungswirtschaft leisten.

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Wohnpolitik erweist sich immer mehr als entscheidender Erfolgsfaktor.

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Die Wiener mögen als Nörgler bekannt sein, doch wenn es ums Wohnen geht, zeigen sie sich ziemlich zufrieden. Eine Umfrage aus dem Jahr 2003 zeigt, dass 69 Prozent der Miethöhe, 74 Prozent der Wohnungsgröße, 64 Prozent der ruhigen Lage, und gar 81 Prozent der Lage in der Stadt die Note eins oder zwei geben. Wie Michael Pech, Vorstand des Österreichischen Siedlungswerks (ÖSW), auf der Wohnwirtschaftlichen Tagung der Wiener Gemeinnützigen vergangene Woche ausführte, "ist sowohl die subjektive Wohnzufriedenheit als auch die objektive Wohnqualität in den letzten Jahren gestiegen."

Verantwortlich für diese positive Bilanz sind der allgemeine wirtschaftliche Aufschwung, eine kluge Stadtplanung und vor allem die Wohnbauförderung, die es den Gemeinnützigen ermöglicht, leistbar und qualitätsvoll zu bauen.

Mehrwert

Für Gastgeber Herbert Ludl, den Obmann der Wiener Gemeinnützigen, bringt die hohe Wohnqualität mehr als nur Zufriedenheit. "Das ist eine Schlüsselmaterie für eine ganze Fülle von Dingen, die der Gemeinschaft auf den Kopf fallen, wenn man sich eine schlechte Wohnversorgung leistet", sagt er. "Der Mehrwert guter Wohnversorgung" lautete daher der Titel der Tagung, die dieses Jahr zum 18. Mal stattfand.

Die Umwegrentabilität qualitätsvoller Wohnungen in ordentlichen Wohnvierteln ist vielfältig und beeindruckend: Klimaschutz, sozialer Frieden, Ausländerintegration, Armuts- bekämpfung, Bildungschancen und eine stabile Konjunktur – zu all diesen gesellschaftlich-politischen Zielen trägt der Wohnbau entscheidend bei, betont Ludl.

Stichwort Kioto: "In keinem anderen Bereich ist für den Klimaschutz so viel zu holen wie im Wohnbau", sagt der grüne Gemeinderat Christoph Chorherr, der den gesamten Neubau auf Passivhausstandard bringen will.

Teurer Klimaschutz

Auch Ludl betont die Pionierrolle des Wohnbaus, und vor allem der Gemeinnützigen, bei der Senkung der CO2-Emissionen. Aber ihm geht es noch mehr um die sozialen Aspekte einer guten Wohnversorgung, die durch die Kosten des Klimaschutzes nicht gefährdet werden darf. "Klimaschutz ja, aber nicht auf dem Rücken der Einkommensschwächsten", sagt der Chef der Wiener Wohnbaugenossenschaft Sozialbau. "Passivhäuser, in denen nicht gelüftet werden darf, sind nicht das einzig Anstrebenswerte."

Am wichtigsten ist Ludl die Armutsbekämpfung. Ärmere Familien müssten immer öfter bis zur Hälfte ihres Monatseinkommens für das Wohnen ausgeben. Aber "Armut ist viel mehr als die Abwesenheit von Geld. Der Verlust von Würde richtet einen gesellschaftlichen Schaden an, der sich mit Geld gar nicht mehr reparieren lässt." Ein schlechtes Wohnumfeld sei eine der Hauptursachen für Kriminalität und Gewalt, vor allem unter der Jugend. "Eine Jugendrevolte wie in Wien ist dank unserer Wohnpolitik undenkbar."

Auch die hohe Arbeitslosigkeit, die etwa in Frankreich zu den Unruhen von 2005 beigetragen hat, werde durch aktiven Wohnbau gemildert. "Nichts ist so wirkungsvoll für die Beschäftigung wie Wohnbau und Sanierung, und diese Branche ist nicht importabhängig", sagt Ludl. "Allein das ist der Grund, Wohnen wichtig zu nehmen."

Die Auswirkungen eines Einbruchs in der Bauwirtschaft auf die Konjunktur illustriert der Wifo-Ökonom Stephan Schulmeister am Beispiel der USA, wo billige Hypothekarkredite zuerst das Wachstum angekurbelt haben, die jetzige Immobilienkrise aber eine Rezession auszulösen droht. In Österreich hingegen sorgen die Instrumente der Wohnbauförderung dafür, dass der Wohnbau die Konjunktur stabilisiert.

Schauplatz Integration

Ein zentrales Thema auf der Tagung war die Migrantenintegration. "Der Wohnort ist der Platz, wo die Integration praktisch passiert", sagt Ludl. "Ethnische und soziale Durchmischung ist das Rezept schlechthin. Entscheidend ist, dass die Wohnanlagen so attraktiv sind, dass Inländer dort wohnen bleiben und nicht ausziehen. Dazu tragen wir Gemeinnützigen mit Dingen wie Gemeinschaftseinrichtungen und Mediation, die eigentlich unlukrativ sind, bei."

Das Wichtigste für die Wohnversorgung sei immer noch die Leistbarkeit, betont Ludl. Hier seien die Gemeinnützigen immer mehr gefordert. Früher hätten einkommensschwache Inländer im Gemeindebau und Ausländer im Substandardaltbau Unterkunft gefunden. "Aber der Substandard ist immer mehr verschwunden, und die Gemeinde zieht sich aus dem Neubau zurück. Die Gemeinnützigen werden immer mehr der preisgünstige Wohnversorger, während die Besserverdiener zunehmend in den privaten Sektor abwandern." Diese soziale Aufgabe aber könne nur mithilfe der Wohnbauförderung erfüllt werden. (Eric Frey, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.11.2007)