Ein bestehendes 60er-Jahre-Haus in der Linzer Makartstraße wurde von der Giwog von Grund auf thermisch erneuert.

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Gemeinderat Christoph Chorherr (Grüne): "Es eignet sich keine andere Bauaufgabe besser zur Erreichung der Kioto-Ziele als der gemeinnützige Wohnbau."

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Tatjana Weiler: Der beste Weg ist, Energie einzusparen.

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Im Umweltschutz und in der Einsparung von Emissionen spielt der Wohnbau eine weitaus größere Rolle als man vordergründig glauben möchte. "Der Wohn- und Tertiärsektor, der zum größten Teil aus Gebäuden besteht, ist für über 40 Prozent des Energieverbrauchs in der EU verantwortlich", erklärt Tatjana Weiler vom Österreichischen Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen. Angesichts steigender Rohstoffpreise und ebenso steigender CO2-Emissionen sei es verwunderlich, dass 60 Prozent aller Haushalte zur Beheizung immer noch fossile Brennstoffe wie Erdgas und Heizöl verwenden.

Zur Erfüllung der Kioto-Ziele hat sich Österreich zu einer Absenkung der Emissionen um 13 Prozent verpflichtet. Demnach soll das emittierte Kohlendioxyd bis 2012 von 77,6 Millionen Tonnen (Stand 1990) mittelfristig auf 67 Millionen Tonnen reduziert werden. Weiler: "Es gibt nur eine sinnvolle Möglichkeit, diese Ziele zu erreichen. Die kostengünstigste und unmittelbar gewinnbringende Form der CO2-Vermeidung ist die Einsparung von Energie." Möglich sei dies durch Neubauprojekte im Niedrigenergie- und Passivhausstandard, durch ressourcensparende Baustellenabwicklungen sowie durch die thermische Sanierung bestehender Wohnbauten.

Nachhaltigkeit

Einige beispielgebende Wohnhausanlagen wurden in den vergangenen Jahren realisiert. Am Nordrand von Salzburg entstand für den Bauträger Heimat Österreich die Wohnbebauung Samer Mösl. Der geforderten Nachhaltigkeit konnten die sps-Architekten doppelt Rechnung tragen. Bis auf die betonierten Stiegenhäuser besteht die Anlage zur Gänze aus Holz. Zudem weisen alle 60 Wohnungen Passivhaus-Standard auf.

Dabei muss ökologisches Bauen nicht zwangsweise mit Hightech und komplizierten Messungen zu tun haben. Es beginnt bei den einfachsten Dingen: "Wir planten ein Passivhaus ohne klassische Nord- und Südfassade. Alle Wohnungen sind nach Osten und Westen durchgesteckt und haben Vor- und Nachmittagssonne", erklärt Architekt Simon Speigner das kleine Einmaleins. Darüberhinaus gibt es Dreifach-Isolierglas, hoch gedämmte Holzriegelwände, Sonnenkollektoren sowie eine kontrollierte Wohnraumbelüftung. Letzteres ist übrigens ein absolutes Muss, will man den jährlichen Heizwärmebedarf unter 15 kWh pro Quadratmeter senken.

Das wissen auch die Architekten Dietrich Untertrifaller, die in Wien die Wohnhäuser auf dem Mühlweg planten. "Unsere Passivhäuser sind dermaßen gut gedämmt und isoliert, dass an manchen Wintertagen die kontrollierte Wohnraumbelüftung und die Wärmeemissionen von ein paar Menschen schon ausreichen, um die Wohnräume auf gemütliche 22 bis 24 Grad aufzuheizen", weiß Thomas Weber vom Architekturbüro Dietrich Untertrifaller zu berichten. Bisweilen müsse man sogar im tiefsten Winter die Fenster aufreißen.

Hightech-Haut

Doch nicht nur bei Neubauten kann man mit energiesparendem Betrieb punkten, eine Handvoll Möglichkeiten gibt es auch im Bereich der Bestandssanierung. "Mittels gezielter Thermosanierungen lassen sich im Betrieb 40 bis sogar 70 Prozent des Energieverbrauchs einsparen", sagt Tatjana Weiler.

Eines der radikalsten Beispiele liefert das Büro Arch+More in Kooperation mit Ingrid Domenig-Meisinger. Ein bestehendes 60er-Jahre-Haus in der Linzer Makartstraße wurde von der Giwog von Grund auf thermisch erneuert und bekam zu diesem Zweck in eine hochdämmende Hightech-Haut verpasst. Das Fassadensystem GAP Solar, bei dem zwischen zwei Glasscheiben Kartonwaben für die nötige Dämmung sorgen, liefert nicht nur hervorragende Kennwerte, sondern auch den unwiderruflichen Beweis, dass Wohnen in einem Passivhaus durchaus fesch sein kann. Der Wärmebedarf der 50 Wohneinheiten konnte durch den Umbau um 91 Prozent (!) auf 14,4 kWh/m² gesenkt werden.

Avantgarde als Standard

Was heute noch avantgardistisch ist, könnte schon bald als neuer Standard im Wohnbau gelten. Im Zuge der letzten Finanzausgleichsverhandlungen wurde gefordert, die Wohnbauförderung in Zukunft noch stärker an die Klimaschutzziele zu binden.

"Es eignet sich keine andere Bauaufgabe besser zur Erreichung der Kioto-Ziele als der gemeinnützige Wohnbau", erklärt Grünen-Gemeinderat Christoph Chorherr, "wir haben über die Wohnbauförderung einen nahezu unglaublichen Wettbewerb und müssen dieses Instrument so gut es geht ausnützen." Dabei reiche es nicht aus, sich nur mit den Attributen Niedrigenergie und Passivhaus zu schmücken. Nachhaltigkeit in der Architektur, so Chorherr, müsse zum Grundsatz der Politik und der Wohnbauträger werden. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.11.2007)