Soll noch jemand sagen, unter dieser Koalition gehe nichts weiter! Seit Anfang dieser Woche geben die Mandatare auf der Homepage des Parlaments bekannt, in welchen Sparten sie einem bürgerlichen Erwerbsleben nachgehen, wenn sie nicht gerade im Hohen Haus sitzen – sofern sie das überhaupt tun. Die Reaktion der Bevölkerung entsprach nicht ganz dem Lärm, mit dem dieser Exhibitionismus eingefordert wurde, aber ziemlich genau dem in dieser Liste schlummernden Überraschungspotenzial. Von mehr als fünf Millionen Wählerinnen und Wählern sollen sich in den ersten zwei Tagen 31.846 für die Berufe der Abgeordneten zum Nationalrat, nur noch 12.666 für jene der Mitglieder des Bundesrates interessiert haben. Jetzt wissen sie’s. Ein Wissen, das die politische Landschaft nicht einmal dann erschüttern wird, wenn sich auch die Mandatare der ÖVP dazu entschließen sollten, ihr Motto „Privat ist geil“ einer zeitgemäßen Transparenz zu opfern. Spätestens dann – keine andere Partei lässt schließlich interessantere Einkommensquellen ihrer Mandatare vermuten als sie – wird die Zahl der Bürger, die sich für die Homepage des Parlaments interessieren, noch einmal steigen, um sich rasch auf dem Niveau durchschnittlichen Interesses an demokratischen Vorgängen einzupendeln.

Das Lehrreiche an diesem Beispiel für politische Leistungsfähigkeit: Die Koalition bringt doch etwas weiter, wenn sie sich nur selbst sistiert. Ein Gesetz über die Offenlegung von Politikerbezügen, das für einen sinnvollen Rahmen des Unterfangens gesorgt hätte, statt für Offenlegung nach Lust und Laune, wäre am Widerstand der ÖVP gescheitert. Die Offenlegung von Bezügen zumindest der Mandatare anderer Parteien kann sie nicht per Hinweis auf den Koalitionspakt verhindern, also kommt sie. Allerdings wäre erst dann, wenn ihr das Verharren in Heimlichtuerei bei der Wählerschaft dauerhaft schadet, der Nachweis erbracht, dass der diesmalige Offenlegungsdruck auf ein echtes Bedürfnis der Bevölkerung zurückgeht und nicht nur eine Verlagerung politischer Betriebsamkeit auf einen Nebenschauplatz darstellt, die sich zur Not aussitzen ließe.

Nicht nur in der Volkspartei gehen die Meinungen darüber auseinander, aber dort zeichnet sich hinter der Debatte ein tieferer Konflikt ab. Josef Pröll, der als die schwarze Zukunftshoffnung verkauft werden soll, ist zwar zurückhaltend, wenn es um Transparenz bei den Subventionen für die Landwirtschaft geht, wenig konsequent, aber umso klarer spricht er sich für die Offenlegung der Politikergehälter aus. Als Wolfgang Schüssel den alten Parteiübervater hervorzukehren und Pröll als Opfer eines Missverständnisses zurechtzustutzen versuchte, ließ sich der von der Vergangenheit nicht überrumpeln und meinte, er brauche keinen Interpreten seiner Aussagen.

Das war hübsch und fügt sich gut in die zunehmende Ausbruchsstimmung, mit der sich auch Wilhelm Molterer vom Druck der Altlast im ÖVP-Klub freizuspielen versucht. Dass er Schüssels Idee, das Pensionsalter der Frauen an jenes der Männer anzugleichen, trocken mit der Bemerkung abservierte, das sei kein Thema, und Andrea Kdolsky sogar kühn das Recht einforderte nachzudenken, sind beachtliche Anzeichen von Emanzipation, auch wenn man sie nicht überschätzen sollte.

Schön wäre es, wenn diese Entwicklung fruchtbar gemacht werden könnte, wo es um bedeutendere Vorhaben der Koalition geht als um die Offenlegung der Politikerbezüge. Da liegt zurzeit das meiste im Argen, weil sich die ÖVP von Schüssels Theorem nicht freimachen kann, es wäre in diesem Land kein Kanzler außer ihm. Einer sollte ihm endlich sagen: Das ist kein Thema mehr. Nur – wer traut sich? (Günter Traxler/DER STANDARD; Printausgabe, 23.11.2007)