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Auf dem Flugfeld Aspern in Wien-Donaustadt soll in den kommenden 20 Jahren ein völlig neues Stadtviertel mit rund 8500 Wohnungen entstehen.

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Herbert Ludl (l.), Vereinsobmann der Wiener Gemeinnützigen, redet mit dem Berliner Wohnexperten Jürgen Steinert.

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Ewald Kirschner (Gesiba): "Pool auf dem Dach."

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Auf Wohn- und Lebensqualität darf dabei nicht vergessen werden.

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Dem steten Wachstum der Stadt Wien muss Rechnung getragen werden. Mit dem bisherigen Wohnbauprogramm wird man kaum das Auslangen finden. Um den prognostizierten zwei Millionen Einwohnern im Jahre 2030 ein Dach über dem Kopf bieten zu können, muss die Stadt gezielt nach innen verdichten und nach außen expandieren. Ausbreitungsmöglichkeiten gibt es genug, denn vor allem im städtischen Bereich liegen viele Grundstücke seit langer Zeit brach.

Hauptaugenmerk liegt auf dem Gebiet des ehemaligen Aspang-Bahnhofs in Wien Landstraße. "Das 20 Hektar große Areal ist eines der größten innerstädtischen Entwicklungsgebiete der Stadt", erklärt Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, "bis Dezember 2010 wollen wir den ersten Bauabschnitt fertigstellen, bis 2016 wird das Projekt voraussichtlich beendet sein." Neben Büro und Gewerbe soll das Verdichtungsgebiet Eurogate in erster Linie dem Wohnen dienen.

Aushängeschild ist zweifelsohne die Passivhaus-Wohnanlage, die aktuell als größtes Passivhaus-Projekt Europas gilt. Für die Realisierung der unterschiedlichen Wohnprojekte sind rund 103,2 Millionen Euro veranschlagt, wovon die Stadt Wien aus Mitteln der Wohnbauförderung rund 36,3 Millionen Euro zuschießt. Weitere 3,8 Millionen Euro kommen an Passivhaus-Förderung hinzu.

Wohnen in Kasernen

Eine große Rolle spielen nach Angaben der Stadtregierung auch die ehemaligen Kasernenareale. Auf dem Gelände der Erzherzog-Karl-Kaserne in Donaustadt entstehen in den kommenden Jahren 650 Wohnungen. Auch die Wilhelmkaserne in Leopoldstadt wird in Zukunft dem Wohnen dienen. Für weitere ungenutzte Areale des Bundesheeres, beispielsweise die Marine-Kaserne Tegetthoff in Döbling, ist bereits die Ausschreibungsphase eingeleitet. "Natürlich stehen noch weitere interessante Liegenschaften zur Disposition", sagt Klaus Vatter, Obersenatsrat der Abteilung Stadtteilplanung und Flächennutzung (MA 21A), "der Anstoß muss aber schon von Heeresseite kommen." Man wolle schließlich keine Arbeitsplätze infrage stellen.

Größter Hoffnungsträger für die kommenden 20 Jahre ist jedoch das Flugfeld Aspern im Nordosten Wiens, das ab 2012 von der U2 angefahren werden wird. Erste Unternehmen sollen auf dem 240 Hektar großen Areal bereits 2009 angesiedelt werden, die ersten Wohnungen folgen ein Jahr später. Insgesamt sollen auf dem ehemaligen Flugfeld rund 8500 Wohnungen realisiert werden. Das Investitionsvolumen beträgt rund fünf Milliarden Euro.

Vier-Phasen-Entwicklung

Ist es tatsächlich so einfach, einen ganzen Stadtteil aus dem Boden zu stampfen? "Nein, natürlich nicht", erklärt Stadtrat Ludwig, "die Entwicklung auf dem Flugfeld Aspern wird sich über den Zeitraum von 20 Jahren erstrecken – abhängig natürlich von Faktoren wie beispielsweise der Bau- und Förderungsleistung, der Budgetsituation und auch der Nachfrage."

Geplant ist eine Entwicklung in vier Phasen. Der Mix aus Wohnen und Arbeiten mit einer guten Infrastruktur, Bildungs- und Freizeiteinrichtungen und einem hohen Grünanteil werde dazu beitragen, dass Aspern ein Stadtteil mit sehr hoher Lebensqualität wird.

"Ich bin überaus skeptisch, was die Stadterweiterung auf dem Reißbrett betrifft", so Dangschat, "für derartige Stadterweiterungsgebiete muss sich Wien ganz genau überlegen, wie es die Attraktivität eines solchen Standortes gewährleisten kann." Allein mit dem Ausbau zu einem Wirtschafts- und Forschungsstandort sei dies nicht möglich. Hierzu benötige man ein sinnvolles Wohnbaukonzept.

"Man kann den Wohnmarkt nicht nur als Immobilienmarkt auffassen", sagt Jürgen Steinert von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin, "denn Wohnungen sind nicht nur ein Wirtschaftsgut, sondern auch ein Sozialgut." An diesem Punkt kommt der Begriff der Stadtrendite ins Spiel – das ist nichts anderes als eine gewisse Qualitätsanhebung durch Private, von der letzten Endes die Stadt selbst größte Profittragende ist. Oder – wie es Ewald Kirschner, Chef des gemeinnützigen Wohnbauträgers Gesiba, ausdrückt: "Stadtrendite ist das, was sich die Stadt ausgabenmäßig erspart, wenn die nötigen Qualitätsmaßnahmen bereits von anderen getroffen werden."

Freizeitbedürfnisse

Den größten Input liefern in Österreich die gemeinnützigen Wohnbauträger. Durch die Realisierung von Themenwohnbauten, das Aufgreifen neuer Mobilitätsformen und die Erfüllung individueller Wohnbedürfnisse wird es langfristig gelingen, die Menschen zufriedener zu machen und der Stadt viele Kosten zu ersparen. Kirschner: "Bestes Beispiel ist der Swimmingpool auf dem Dach. Mit einer einzigen Maßnahme wird man den Freizeitbedürfnissen der Menschen gerecht, trägt zur Verkehrsreduktion bei und erspart der Stadt langfristig hohe Kosten, die sie sonst in den Bau freizeitlicher Infrastruktur investieren müsste."

Lässt sich die Stadtrendite in Zahlen ausdrücken? Nein, eine messbare Größe gebe es nicht, so Kirschner. Nur eines: "Bei jeder Stadterweiterung, bei jeder Stadtverdichtung und bei jedem einzelnen Neubauprojekt muss man sich zu allererst die Frage vor Augen führen: Welchen Mehrwert kann gute Wohnversorgung leisten?" (Wojciech Czaja, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.11.2007)