"Da wird einfach ganz unprofessionell gearbeitet. Wir wissen nicht, wohin fast 750 Millionen Euro gegangen sind. Und ich habe das Gefühl, da kommt noch was."

Herbert Bösch, Vorsitzender des Haushaltskontroll-Ausschusses im EU-Parlament, übt im Gespräch mit dem Standard heftige Kritik an EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner und der Administrierung der Aufbauhilfe für den Irak.

Das Parlament forderte von der Kommission "nur eine grundsätzliche Auflistung" von Projekten, die unterstützt worden sind. "Doch nicht einmal das gab es. So kann man mit dem Parlament nicht umspringen. Jetzt wollen wir es genau wissen, wir sind ja nicht bei den Außenministern," sagte Bösch.

Ferrero-Waldner erklärte im Parlamentshearing wie berichtet, im Irak seien mit EU-Hilfen unter anderem der Wiederaufbau der Moschee von Samarra, die Vorbereitung auf Wahlen, der Aufbau von 500 Schulen und Schulbücher, mehr als 200 Gesundheitszentren und zehn Krankenhäuser, der Zugang zu Trinkwasser sowie acht Impfkampagnen finanziert worden. Das Parlament will nun alle Details einsehen und hat bis dahin zehn Prozent des Irak-Budgets 2008 von 98 Millionen Euro gesperrt.

Ferrero-Waldner hatte das Fehlen von Unterlagen auch damit begründet, dass die Gelder über die UNO und die Weltbank an die Nutznießer weitergeleitet wurden und hier Dokumente erst auf dem Weg seien.

Dieser Weg der Mittelvergabe stößt bei Parlament ebenfalls auf Widerstand. Bösch: "Man hat die funktionierende EU-Agentur für Wiederaufbau am Balkan gegen den Willen des Parlaments geschlossen. Mit dem Ergebnis, dass nun über UNO und Weltbank gezahlt wird und niemand mehr weiß, dass es sich um EU-Mittel handelt. Die USA schreiben auf jedes Paket, das sie Spenden, von wem es kommt." Die blaue EU-Fahne sei bei den Empfängern im Irak aber eher unbekannt.

Neben den Strukturfonds würden nun auch die Außenbeziehungen zu einem Prüfschwerpunkt bei der notwendigen Entlastung der Kommissare durch das Parlament, sagte Bösch. "Ich bin gespannt, welche Unterlagen wir jetzt bekommen."

Ferrero-Waldner wies die Kritik zurück. "Seit Februar 2006 findet bei 90 Prozent der Zusagen eine Überprüfung durch professionelle Rechnungsprüfer statt." Diese geänderten Regeln würden sich erst in Zukunft klar zeigen. Grundsätzlich stehe die Kommission vor der Herausforderung, etwa in Palästinensergebieten, im Irak oder Afghanistan schnell reagieren zu müssen. "Damit wir auf die Herausforderung eingehen können, können wir nicht immer mit beschränkten Finanzmitteln arbeiten." Es habe "keine Verschwendung" von EU-Mitteln gegeben, versicherte die Kommissarin. Eine Prüfung der Vereinten Nationen habe "bestätigt, dass die UNO zuverlässige Partner sind". Eine zusätzliche Prüfung der Kommission über die Effizienz der Mittel soll bis Jahresende abgeschlossen sein. (Michael Moravec aus Brüssel/DER STANDARD, Printausgabe, 23.11.2007)