Die politische Lage im Libanon ist seit Monaten blockiert, da sich die im Parlament vertretenen Parteien nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten für das Präsidentenamt einigen können. Die anti-syrische Regierung hat zwar im Parlament die Mehrheit, diese reicht jedoch nicht für eine Wahl eines Staatsoberhauptes im ersten Wahlgang. Die dafür erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit wird außerdem traditionsgemäß als Quorum, also als Anwesenheitspflicht, interpretiert. Dadurch konnte die pro-syrische Opposition bisher einen Wahlgang durch einen Boykott der angesetzten Sitzungen verhindern. Verhandlungen hinter den Kulissen, um einen gemeinsamen Kandidaten zu finden, scheiterten bisher.
Religionsproporz
Das Staatsoberhaupt des Libanon hat aufgrund eines Religionsproporzes ein maronitischer Christ sein. Auch da die Christen unter sich zerstritten sind und teils pro-, teils anti-syrische Politik vertreten, konnte bisher kein Kompromisskandidat gefunden werden. Die ehemalige Ordnungsmacht Syrien zog zwar seine im Libanon stationierten Truppen im Jahr 2005 aus dem Land ab, wird aber von Kritikern weiterhin bezichtigt, hinter den Kulissen die Politik des Zedernstaates zu manipulieren. Sie wird der Verwicklung in politische Morde, darunter das Attentat auf Ex-Ministerpräsident Rafik Hariri, beschuldigt.
Wenige Stunden vor dem Ende der Amtszeit des pro-syrischen Präsidenten Emile Lahoud sind am Freitag Tausende Soldaten und Polizisten durch Beirut patrouilliert. Straßen, die zum Parlamentsgebäude in der Innenstadt führten, wurden mit Panzern gesichert und Regierungsgebäude stärker bewacht. Truppenverbände wurden zusammengezogen. Der Schutz anti-syrischer Politiker, die sich aus Angst vor Anschlägen in den vergangenen zwei Monaten in ein Fünf-Sterne-Hotel zurückzogen, wurde verstärkt. Aus Angst vor Unruhen zogen sich die Menschen unmittelbar nach der Ankündigung der erneuten - fünften - Verschiebung in ihre Häuser zurück.
Befürchungen
Beobachter befürchten, dass nun die inner-libanesische Gewalt wieder aufflammen könnte. Ein Machtvakuum könnte drohen oder, dass sich zwei rivalisierende Regierungen bilden werden - wie schon einmal in den letzten beiden Jahren des Bürgerkriegs von 1975 bis 1990. Beobachter schließen auch nicht aus, dass Lahoud die Armee gegen die pro-westliche Regierung von Ministerpräsident Fouad Siniora einsetzen könnte.
Laut Verfassung müsste eigentlich noch vor Mitternacht ein neuer Präsident gewählt sein. Wenn dies nicht erfolgt, übernimmt die Regierung seine Befugnisse. Lahoud hat aber schon angekündigt, sie nicht an Siniora abgeben zu wollen. Er bestreitet die Rechtmäßigkeit der Regierung, seit alle schiitischen Minister aus Sinioras Kabinett vor einem Jahr ausgetreten sind. Mögliche Szenarien wären, dass er seine Amtsgeschäfte an die Streitkräfteführung übergibt oder den Ausnahmezustand erklärt.