„Diejenige Regierung ist die beste, die sich überflüssig macht.“ Schenkt man dieser Weisheit Wilhelm von Humboldts Glauben, müsste man sich um den belgischen Staat im Moment keinerlei Sorgen machen. Doch weit gefehlt. Das derzeitige Machtvakuum spaltet das Land und stellt die Politik vor große Herausforderungen. Seit nunmehr fünf Monaten versucht der designierte Ministerpräsident Yves Leterme von den flämischen Christdemokraten vergeblich, eine regierungsfähige Koalition zu bilden. Dazu bräuchte er die Zusage der flämischen und wallonischen Liberalen sowie der wallonischen Schwesterpartei CDH. Deren Chefin, Joelle Milquet, will von Letermes Reformplänen jedoch nichts wissen. Dieser möchte den drei Regionen Flandern, Brüssel und Wallonien mehr Autonomie verleihen und außerdem die Transferleistungen vom reichen Flandern ans arme Wallonien verringern.

Die vor vierzig Jahren festgelegte Sprachgrenze steht dabei wieder einmal im Mittelpunkt der Diskussion. Vor allem der Streit um den Wahlkreis Brüssel-Halle-Vilvoorde erhitzt die Gemüter. Es ist der einzige Wahlkreis, in dem sowohl flämische als auch wallonische Parteien gewählt werden können, obwohl es sich offiziell um flämisches Territorium handelt. Die Parteien aus dem niederländischsprachigen Flandern forderten daher eine Aufspaltung von Brüssel-Halle-Vilvoorde. Mit dem Beschluss über die Teilung des Wahlkreises entlang der Sprachgrenze hat die flämische Mehrheit den Koalitionsverhandlungen ein vorzeitiges Ende gesetzt.

Belgien steckt somit in der tiefsten Krise der jüngeren Geschichte. Viele schließen eine Teilung des Landes nicht aus. Doch nicht nur die politische Zukunft des Königreiches ist ungewiss. Auch der belgische Leitindex BEL 20 steht am Scheideweg. So hat das 20 „Blue Chips“ umfassende Barometer seinen langfristigen Aufwärtstrend vor kurzem gebrochen. Grund dafür ist vor allem das schlechte Abschneiden des Bankensektors, was den Kursverlauf des Index immer wieder nach unten gezogen hat. Besonders die beiden Schwergewichte Dexia und Fortis, die zusammen etwa 20 Prozent ausmachen, hatten im letzten Jahr kräftige Kursrückgänge zu verzeichnen. Mit einem 2008er KGV von 13 ist der Index zwar noch längst nicht überteuert. Allerdings hat sich die charttechnische Situation in den letzten Tagen deutlich eingetrübt. So nimmt der BEL 20 seit etwa einer Woche wieder Kurs auf die bei 4.000 Punkten liegende Unterstützung vom Mai 2006, die er erst vor drei Monaten angetastet hat. Damit ist im Zeitraum eines Jahres eine gefährliche „Schulter Kopf Schulter“-Formation entstanden. Sollte der Index also die Unterstützung nach unten durchbrechen, entspricht dies einem deutlichen Verkaufssignal, welches das Barometer tief in den Keller rutschen lassen dürfte.

ZJ-Fazit: : Belgien ist derzeit ein heißes Anlagepflaster. Aus politischen und charttechnischen Gründen sollten Investoren von Neuinvestitionen (ISIN DE 000 CB5 YXG 2) in den BEL 20 absehen. Anleger, die bereits länger investiert sind, sollten die Gewinne aus dem Aufwärtstrend mitnehmen oder einen engen Stopp knapp unterhalb von 4.000 Punkten setzen.