Wien - Sollte heuer keine Entscheidung mehr über das EU-Satellitennavigationsprogramm Galileo fallen, dann glaubt der Vorsitzende des Verwaltungsrats der Aufsichtsbehörde, der österreichische Technologieexperte Ingolf Schädler vom Infrastrukturministerium, nicht mehr an dessen Verwirklichung. "Ich vermute, dass das Projekt beim Europäischen Rat der Regierungschefs Mitte Dezember finalisiert wird. Wenn nicht, dann ist das gestorben, dann ist diese Option für Europa vorbei", meinte Schädler im Gespräch mit der APA.

Wenn man in der EU tätig ist, sei man "zu Optimismus verpflichtet", meinte Schädler zu den Erfolgsaussichten. Eine negative Entscheidung würde Europa jedenfalls "in eine sehr schwierige Situation für die Zukunft bringen, weil wir uns damit ein gerüttelt Maß an Abhängigkeit erkaufen". Navigationsnetze seien einfach die Infrastruktur moderner Gesellschaften, "das sind die backbones des 21. Jahrhunderts". Galileo nicht zu realisieren, wäre so wie auf den Eisenbahn- oder den Autobahnbau zu verzichten, meinte Schädler.

Nach Berechnungen der EU-Kommission kostet das System mit 30 Satelliten, deren Starts, den Kontrollzentren etc. 3,4 Mrd. Euro, von denen allerdings bisher nur eine Mrd. Euro im langfristigen EU-Finanzrahmen vorgesehen ist. Der ursprüngliche Plan, das Navigationssystem über ein Konsortium mit der Privatwirtschaft aufzubauen, ist gescheitert. Die EU hatte daraufhin beschlossen, Galileo nur mit staatlichem Geld zu realisieren.

Weltrekord ohne Training

Für die Schwierigkeiten beim Aufbau ortet Schädler mehrere Ursachen: Einerseits habe Europa versucht, "ohne Vorbereitung und Training gleich den Weltrekord im Hochsprung einzustellen". Die USA hätten 16 Jahre benötigt, um GPS II zu dem zu machen, was es jetzt ist. "Wir haben gesagt, wir machen es in der Hälfte der Zeit und zwar gleich die dritte Generation." Dabei habe man sowohl die notwendige Zeit als auch die technischen Probleme unterschätzt. "Man darf nicht vergessen, dass bisher schon zwei Mrd. Euro in die Entwicklung des Systems geflossen sind", sagte Schädler. Zudem habe das geplante PPP-Modell (Partnerschaft von Privaten und Staat) nicht funktioniert, weil man Unternehmen aus verschiedenen Ländern das Design- und das Marktrisiko übertragen habe. "Das war dann zu viel an Komplexität, die nicht zu verkraften war", so der Experte.

Schädler ist froh, die Aufsichtsbehörde, die ursprünglich die Verhandlungen mit dem Industrie-Konsortium führen sollte, aus der Schusslinie gebracht zu haben: "Sonst wären wir am Ende des Jahres ohne Vertrag, ohne System, dafür mit Kostenüberschreitungen und Verspätungen dagestanden und voll dafür verantwortlich gewesen." Jetzt sei "der Druck heraußen, es völlig kommerziell zu realisieren", nun sei es "eine politische Entscheidung, ob wir uns das in Europa leisten wollen oder nicht".

Keine Alternativen

Alternativen sieht Schädler praktisch keine: Dass die europäische Weltraumorganisation ESA zumindest einen Teil der Finanzierung übernimmt, sei eine "Option, die uns nicht viel weiterbringt". Denn dann müssten ja wiederum die Nationalstaaten als ESA-Mitglieder das Geld aufbringen. Zudem seien zehn EU-Staaten keine Mitglieder bei der ESA. Eine andere Möglichkeit wäre, das europäische satellitengestützte Navigationssystem EGNOS fortzusetzen, das im Pilotstadium fertig sei und eine Art Zwischenschritt zum vollen Navigationssystem darstelle. EGNOS verbessert die Genauigkeit der GPS-Signale wesentlich, "doch im Wesentlichen bliebe damit die Abhängigkeit vom US-System GPS bestehen", so Schädler. (APA)