Zagreb - Noch nie waren Parlamentswahlen in Kroatien so spannend. Die beiden Großparteien des Landes, die Sozialdemokraten (SDP) und die national-konservative HDZ (Kroatische demokratische Gemeinschaft) von Premier Ivo Sanader, liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Die oppositionelle SDP kann aktuell mit 33,4 Prozent Zustimmung rechnen, die regierende HDZ mit 32,5 Prozent der Wähler. Das besagt eine am Donnerstagabend veröffentlichte Umfrage der Agentur Puls. Alle anderen Parteien sind weit abgeschlagen.

"Diese Wahlen sind die bis dato ungewissesten; keine Umfrage zeigt, wer die neue Regierung stellen wird", meinte der Politik-Analyst Davor Gjenero aus Zagreb zur APA. Obwohl alle Umfragen der SDP einen kleinen Vorsprung bescheinigen, ist momentan nur sicher, dass es eine Koalitionsregierung geben wird. Für die Mehrheit im Parlament sind 77 Abgeordneten nötig. Laut der Puls-Umfrage könnten die Sozialdemokraten mit 62 Abgeordneten rechnen, die HDZ von Premier Ivo Sanader mit 58.

Rangeln um den dritten Platz

Um den dritten Platz rangeln allen Umfragen zufolge die bürgerlich-liberale HNS (Volkspartei) und die Zentrumskoalition aus HSLS (Sozialliberalen), HSS (Bauernpartei) und PGS, eine Regionalpartei in Rijeka. Während die Volkspartei bereits eine Koalition mit der SDP angekündigt hat, und den Umfragen zufolge zwischen fünf und acht Abgeordneten erhalten soll, haben weder die Sozialliberalen - die bisher die HDZ-Regierung unterstützten - noch die oppositionelle HSS bis dato ihre Koalitionspräferenzen geäußert.

"Das hängt von den Programmen ab", so HSS-Chef Josip Friscic. Seine Partei soll vier der insgesamt sechs zu erwartenden Mandate des Parteibündnisses erhalten. Seit sie in der vorigen Legislaturperiode treuer Allierter der Sozialdemokraten war, hat sie zusehends an Unterstützung verloren: 2000 waren es noch 17 Mandate, 2003 nur mehr acht und jetzt soll die Zahl der Abgeordneten noch einmal halbiert werden. Dennoch bleibt die Partei für jede neue Koalition wichtig. "Wir können erwarten, dass die HSS in der neuen Regierung vertreten sein wird", meinte auch der Politikforscher Gjenero.

Rechtsextreme HSP verliert an Stärke

Auch die rechtsextreme HSP verliert zunehmend an Stärke. Von fast 15 Prozent Unterstützung vor zwei Jahren steht sie bei derzeit nur 3,8 Prozent, was gerade einmal für drei Abgeordnete reichen würde. Die HSP wird aller Wahrscheinlichkeit nach in die Opposition gehen, da sie kaum auf Verbündete zählen kann.

Anders die Pensionistenpartei HSU, deren drei Abgeordnete das Kabinett Sanaders in der Vergangenheit still stützten. Sie kann künftig mit sechs oder sieben Mandaten rechnen und wäre damit ein wichtiger Partner für eine neue Regierung. Auch die acht Minderheitenvertreter werden bei der Regierungsbildung eine zentrale Rolle spielen. Mit ihrer Unterstützung regierte die HDZ seit 2003. Die serbische SDSS (Unabhängige demokratische serbische Partei) erhielt im Gegenzug sogar einige Staatssekretäre.

Pakt

Die oppositionelle SDP hat wohlweislich schon im Wahlkampf einen entsprechenden Pakt mit der bosniakischen Minderheitenpartei SDA (Partei der demokratischen Aktion Kroatiens) - ein Ableger der gleichnamigen bosniakischen Regierungspartei in Bosnien-Herzegowina - geschlossen.

Der Startschuss zu den Wahlen fällt schon am Freitagabend (MEZ), wenn das erste Wahllokal im australischen Canberra öffnet. Schluss ist Montagfrüh, wenn die Wahllokale im US-Bundesstaat Kalifornien schließen. Der Sieger sollte dennoch bereits am Sonntagabend feststehen. Dann dürfte für den künftigen Regierungschef - sei es Sanader (54) oder sein größter Rivale, der SDP-Spitzenkandidat Ljubo Jurcic (53) - auch das Sondieren der Koalitionspartner beginnen. (APA)