Schwarzecker, Kreuch, Elsner, Büttner, Zwettler (v. li.) zu Weihnachten 1998, als es bereits nichts mehr zum Feiern gab. Unterm Christbaum: 639 Millionen Dollar Verlust.

Foto: STANDARD/Fischer
Wien – Kommende Woche geht es im Bawag-Strafverfahren ans Eingemachte. Zwar ist die Zeit der Zeugenaussagen, die zum Teil unglaubliche, zum Teil beinah unterhaltsame Einblicke ins Biotop der damaligen Gewerkschaftsbank und ihrer Aufsichtsräte, Aufseher und Begleiter ermöglichten, vorbei. Bevor das Gericht von Dezember bis Mitte Jänner eine Verhandlungspause einlegt, kommen am Montag, Mittwoch und Donnerstag noch die beiden Gutachter zu Wort: der Grazer Wirtschaftstreuhänder Fritz Kleiner und sein Wiener Berufskollege, Thomas Keppert.

Keppert wird seine Expertise zum Thema Bilanzfälschung 1998 bis 2004 präsentieren. Das erste Teilgutachten für 1998 und 1999 liegt dem STANDARD bereits vor. Demnach erfolgte damals die "Verarbeitung der Verluste nicht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchhaltung und Bilanzierung"; dasselbe gelte für die "notwendigen Wertberichtigungen" in den Jahresabschlüssen. Ende 1998 habe "das Ausmaß der fehlenden Wertberichtigungen" 558 Mio. Euro, Ende 1999 schon insgesamt 1,2 Milliarden betragen, schreibt Keppert.

Kleiner, der einst die Causa Bank Burgenland begutachtet hat und zuletzt Herberstein sowie die verlustreichen Swaps der Kärntner Hypo-Alpe Adria, hat den nicht uninteressanten Auftrag zu eruieren, wie genau die Bawag und ihr glückloser Investor, Wolfgang Flöttl, bis 2001 rund 1,4 Milliarden Euro verloren haben.

Geldfluss via Dublin

Konkret soll der Sachverständige, ein studierter Jurist und Dolmetsch, bis zum 15. Jänner das "Handelsverhalten Doktor Flöttls" untersuchen sowie die "Verwendung der Mittel", die aus der Bawag über die Bawag International Finance in Dublin (BIF) an diverse Sondergesellschaften geflossen sind.

Er soll die Art der Finanzströme, die Investmentstrategien (Flöttl setzte gern auf den fallenden Yen), die Abwicklung der Veranlagungen ebenso recherchieren wie die Handelspartner Flöttls (hauptsächlich Lehman Brothers, Morgan Stanley und Bear Stearns) – und, wie die Bawag "Risiken und Chancen der Geschäfte" bewertet und wie sie ihre Kunden geprüft und überwacht hat.

Soll heißen: Der Gutachter, der nach der Abberufung Christian Imos im Oktober bestellt wurde, ist gerade dabei, sich durch den Gerichtsakt zu lesen und tausende von Kontoauszügen und Bestätigungen der Handelspartner zu studieren, die Flöttl dem Gericht überlassen hat. Kleiner ("Das Gutachten wird voraussichtlich Mitte Februar fertig sein") wird am Montag seine zweite Fragerunde abhalten, im Wesentlichen wohl eruieren, wie Flöttl seine Strategie angelegt und wie die Bawag ihre Abermillionen von Euro abgesichert hat. Abgewickelt wurden die Geschäfte mit Flöttl ja immer gleich: Über die BIF flossen die Kredite an die Stiftungen der Bawag, von dort an die Sondergesellschaften, die Flöttls Ross Capital gehörten; selbige versenkte das Geld dann. Wer die verschlungenen Wege um die Stiftungskonstruktion ausgetüftelt hat, ist übrigens bis heute nicht klar.

Die hochinteressante (allerdings für die Feststellung allfälliger Untreue nicht erhebliche) Frage, wo denn letztlich das Geld der Bawag gelandet ist, wird freilich auch Kleiner nicht klären: "Es ist nicht mein Auftrag nachzuweisen, wohin das Geld geflossen ist", erklärte er dem STANDARD. (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24./25.11.2007)