Gleichzeitig mit der ersten Wahl von Abgeordneten für das Europaparlament am Sonntag lässt Rumäniens Staatspräsident Traian Basescu in einer Volksbefragung über eine Reform des Wahlsystems abstimmen. Das bisherige Listensystem, bei dem nur die Listenanführer wirklich namentlich in der Bevölkerung bekannt waren, begünstigte laut Basescu die Korruption unter den Parlamentsmitgliedern. Sie seien, so das Argument von ihrer Wählerschaft, entfremdet, da sie über „Parteispenden“ ihre Listenplätze erkaufen würden. Durch ihre Unbekanntheit seien sie außerdem kaum gezwungen, politische Verantwortung zu übernehmen und würden statt der Interessen des Volkes die eigenen vertreten. Die Gesetzesvorschläge der rumänischen Abgeordneten zeugen mitunter von dieser Haltung: So schlugen sie eine Änderung des Strafgesetzbuches vor, durch die die Verfahrensdauer auf sechs Monate reduziert und der Staatsanwaltschaft erst erlaubt werden sollte, Telefongespräche abzuhören, nachdem Verdächtigte von den Ermittlungen in Kenntnis gesetzt wurden. Präsident Traian Basescu wies den Vorschlag zurück. Denn die Sechs-Monats-Frist würde zur Einstellung der Verfahren gegen zahlreiche prominente Politiker führen, einschließlich des sozialistischen Ex-Premiers Adrian Nastase, gegen den wegen Amtsmissbrauch und Bestechung ermittelt wird. Das Verfahren wegen Wirtschaftsverbrechen gegen Dinu Patriciu, Erdölmagnat und Freund des Premiers Calin Popescu-Tariceanu, basiert teilweise auf abgehörten Telefongesprächen. Auch das so genannte „Flottenverfahren“ gegen Basescu selbst, in dem er beschuldigt wird, die rumänische Flotte illegal verkauft zu haben, würde eingestellt werden. Dennoch verweigerte Basescu seine Unterschrift unter die Gesetzesinitiative.

Bürger vom Parlament enttäuscht

Um die legislative Eigeninteressensvertretung des Parlaments zu verhindern, will Basescu das nominelle Personenwahlsystem ein-führen, wonach ein Kandidat in einem Wahlkreis nach einem oder zwei Wahlgängen mit absoluter Mehrheit gewählt werden soll. Eine Umfrage vom November zeigt zudem, dass das Parlament in der Bevölkerung als die Institution gilt, die am wenigsten die Interessen der Menschen vertritt – 72 Prozent waren der Meinung, dass das Parlament nicht für sie da ist.

Eigentlich sollte das Parlament bis Juni diesen Jahres das Wahlreformgesetz verabschieden. Stattdessen erstellten die Abgeordneten aber nun – als Gegenaktion zur Volksbefragungsinitiative des Präsidenten – in einem Schnellverfahren einen Gesetzesentwurf, der das neue Personenwahlsystem abschwächen soll. An Basescus Vorschlag wird bemängelt, dass er Großparteien begünstigen und die Vertretung vieler politischer Richtungen verhindern würde. Ob das Ergebnis des Referendums relevant sein wird (50 Prozent plus eine Stimme), ist ungewiss, da eine geringe Wahlbeteiligung prognostiziert wird. (Laura Balomiri aus Sibiu, DER STANDARD, Printausgabe 24./25.11.2007)