Peter Waterhouse erhält am Sonntag den diesjährigen "Erich-Fried"-Preis.

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Der Vater des zweisprachig aufgewachsenen Autors Peter Waterhouse (51) agierte als Verbindungsoffizier des britischen Geheimdienstes, was bedingte, dass der heute in Wien lebende Sohn - die österreichische Mutter war eine Vertriebene aus Mähren - nicht nur bereits im zartesten Kindesalter exotische Landstriche wie Malaysia kennenlernte, sondern früh dem natürlichen Gebrauch jedweder "Herkunftssprache" misstraute.

Waterhouse, der im vergangenen Buchherbst mit (Krieg und Welt) eines der faszinierendsten deutschsprachigen Prosakompendien der letzten Jahre bei Jung und Jung ablieferte, erkannte früh, dass die Sprache und jene Sachverhalte, die sie abzubilden vorgibt, auf eine letztlich unkittbare Weise auseinanderklaffen.

Der fundamentale Sprachzweifel ist nicht erst seit Hofmannsthals Lord-Chandos-Brief der Antriebsmotor jeglicher Weltaneignung. In seinem Gefolge bildete sich ab den 1950er-Jahren eine spezifisch österreichische Traditionslinie des Schreibens aus: Entweder sind die Wörter, die wir gebrauchen, "vernutzt". Dann muss man sie so lange im Dichtermund umdrehen, bis sie neue Bedeutungen preisgeben.

Oder aber es passiert Folgendes: Die grammatikalischen Strukturen der Sprache verstellen die Ordnung der Welt - treten bedeutungsheischend an deren Stelle. Waterhouse hat ein verwirrend reichhaltiges Lyrik- (Menz, passim), Dramen- und Prosawerk allein dadurch zustande gebracht, dass er den "normativen" Vorgaben der Sprache buchstäblich Unerhörtes abrang. Sprache verbürgt Heimatlosigkeit. Ihrem Fluss zu lauschen bedeutet, mit dem uranfänglichen Schweigen (des abwesenden, berufsbedingt wortkargen Vaters) prägenden Umgang zu pflegen.

Waterhouse dichtete also bevorzugt über die "Allerweltswelt" - auch wenn er beanspruchen darf, ein hervorragender Übersetzer (etwa von Michael Hamburger oder Andrea Zanzotto) zu sein. In Wien lebt er mit Unterbrechungen seit 1979; frühe Wohnsitze schließen Köln, Berlin, später auch Triest und Yorkshire ein. Waterhouse schaffte als einer der wenigen den Anschluss an die Dichterzirkel der späten DDR am Prenzlauer Berg, und er blieb unablässig bei dem Geschäft, Prosa - wie die von (Krieg und Welt) - aus dem "Identitätszwang", aus dem Teufelskreis der "Benennung" zu erlösen.

"Publikumsautor" wird man mit einer derartigen Programmatik naturgemäß nicht. Anarchie erzeugt man nicht mit schillernden Lebensspuren, sondern mit der skrupulösen Verzeichnung einer in Literatur gewendeten Biografie, die den Krebstod der Lebensgefährtin behutsam aufnimmt. Das ist den Wiener "Erich-Fried"-Preis in jeder Weise wert. (Ronald Pohl, DER STANDARD/Printausgabe, 24./25.11.2007)