In der osttürkischen Stadt Malatya begann am Freitag der Prozess gegen jene fünf Männer, die am 18. April drei christliche Missionare ermordet haben sollen. Die Staatsanwaltschaft beantragte zum Prozessauftakt gegen alle Angeklagten lebenslange Haftstrafen - wegen Mordes und Bildung einer terroristischen Vereinigung. Die Tat hatte weltweit für Aufsehen gesorgt, weil einer der drei Ermordeten Deutscher war und es bereits zuvor zu Morden an Christen in der Türkei gekommen war.

Die Opfer betrieben in Malatya einen christlichen Verlag. Bereits vor dem Mordanschlag waren sie häufig Pressionen ausgesetzt, die Lokalpresse betrieb eine regelrechte Kampagne gegen die "ausländischen Missionare".

Die mutmaßlichen Mörder besuchten in Malatya gemeinsam ein Internat. Der Anführer der Gruppe, Emre Günaydin, ist Mitglied der Ülkü Ocaklari, der Jugendorganisation der rechtsradikalen MHP (Graue Wölfe). Die fünf waren in das Verlagsbüro gekommen, hatten Tilman Geske, Necati Aydin und Ugur Yüksel gefesselt, stundenlang gefoltert und ihnen anschließend die Kehlen durchgeschnitten.

Kontakte zu Islamisten

Obwohl die Anklage mit der geforderten Höchststrafe ein hartes Durchgreifen suggeriert, beklagte der Anwalt der Familie Geske, Orhan Kemal Cengiz, bereits vor Prozessbeginn, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft den Eindruck machten, als ginge es um zwei rivalisierende Banden und nicht um drei unschuldige Opfer. Die Staatsanwaltschaft habe sich für die Hintermänner der Täter kaum interessiert. Ein führendes MHP-Mitglied in Malatya, Ruhi Polat, der nachweislich intensiven Kontakt zum Haupttäter Emre Günaydin hatte, sei nur oberflächlich befragt worden, obwohl Günaydin angegeben hatte, von Polat maßgeblich beeinflusst worden zu sein. Auch andere Kontakte der Täter in die rechtsradikale und islamistische Szene wurden nicht weiter ausgeleuchtet.

Das Verfahren erinnert deshalb an das ebenfalls noch anhängige Verfahren gegen die Mörder des armenischen Journalisten und Menschenrechtlers Hrant Dink, in dem Spuren in die Polizei und in die rechtsradikale Szene hinein auch eher vertuscht als aufgeklärt werden. Der Prozess ist auf mehrere Monate angesetzt und soll im Jänner fortgesetzt werden. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul, DER STANDARD Printausgabe, 24./11.2007)