Wien - Nach der Exklusivveröffentlichung im ORF wurden die neuen Fotos des misshandelten kleinen Buben Luca in allen anderen namhaften heimischen Medien - und auch im Standard - gezeigt. Doch das ist laut der Wiener Medienanwältin Maria Windhager "nicht unproblematisch".

Immerhin kämen auch dem toten Luca - und somit den Menschen, die ein Andenken an ihn haben - Persönlichkeitsrechte zu, die hiermit verletzt worden seien. Es stelle sich die Frage, wer die Aufnahmen, die offenbar aus behördlichen Unterlagen stammen, weitergegeben habe und ob dies mit oder ohne Einverständnis jener Personen geschah, die für das Kind obsorgepflichtig waren.

Fotos wie jene von Luca, die einen Misshandlungsverdacht dokumentieren sollen, werden in der Regel in den behandelnden Krankenhäusern aufgenommen. Und zwar im Auftrag der Polizei, um "für den Extremfall ein für alle Mal Beweise gesichert zu haben", wie der Wiener Sozialarbeiter Georg Dimitz erläutert.

Interesse an Befund

Die Aufnahmen werden dann zur Beweiswürdigung an die zuständige Staatsanwaltschaft weitergeschickt. Die Jugendbehörden sowie die Sozialarbeiter, die in dessen Auftrag die verdächtigten Familien betreuen, bekommen sie nicht zu Gesicht. Mit gutem Grund, wie Dimitz erklärt: "Was ich darauf sehe, kann ich als Nichtmediziner keineswegs immer richtig einschätzen. Also bin ich an der ärztlichen Interpretation des Falls, dem Befund, interessiert".

Das lasse darauf schließen, dass es sich auch bei diesen Fotos um Behördeninterna gehandelt habe, gibt hier Windhager zu bedenken. Und kritisiert in diesem Zusammenhang erneut den ORF: "Vor allem ein öffentlich-rechtliches Medienunternehmen sollte in solchen Fällen eher Zurückhaltung üben".

"Was können uns diese Aufnahmen zeigen, es sei denn, dass sie betroffen machen und aufrütteln?", fragt die Anwältin. Doch Aufrütteln allein reiche nicht aus: Hier sei "keine Berichterstattung im überwiegenden öffentlichen Interesse" zu erkennen. Statt dessen habe man sich "gegen den Schutz eines Kinde vor medialen Missbrauch" entschieden, der auch nach dessen Tod zu beachten sei.

ORF widerspricht

Die ORF-Rechtsabteilung wies am Freitag die Kritik zurück. "Es gab gute Argumente, die die Veröffentlichung der Fotos in diesem Zusammenhang erlaubten. Aufgabe des ORF ist es auch, als Public Watch Dog die Sicht auf offensichtliche Problemfelder zu schärfen", hieß es in einer Stellungnahme, die dem Standard schriftlich zukam. (Irene Brickner, DER STANDARD Printausgabe, 24./25.11.2007)