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Oppositionsführer Garri Kasparow nach seiner Festnahme am Samstag, auf dem Weg ins Gefängnis. Am Sonntag wurde der Oppositionspolitiker Boris Nemzow festgenommen.

Foto: REUTERS/Str
Die Behörden behindern die Kritiker der übermächtigen Putin-Partei "Einiges Russland". Einige Oppositionsführer wurden festgenommen.

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Er ist so ziemlich der unbedeutendste Politiker in Russland. Warum also die Sicherheitskräfte eine derart spektakuläre Aufregung um den russischen Oppositionsführer Garri Kasparow inszenieren, bleibt rätselhaft. Am Rande einer Kundgebung sind der Ex-Schachweltmeister und weitere Demonstranten am Samstag in Moskau festgenommen worden. Kasparow wurde zu fünf Tagen Haft verurteilt. Einen Tag später, am gestrigen Sonntag, wurden bei einer Demonstration in St. Petersburg die Führer der Oppositionspartei SPS, Boris Nemzow und Nikita Belych, festgenommen.

Kasparow, Anführer der „Bürgerfront“, habe die Demonstrationsordnung verletzt, heißt es offiziell im Gerichtsurteil. „Es ist die Angst, die das Regime benutzt, um an der Macht zu bleiben“, hatte Kasparow bei der Kundgebung skandiert. Das verbrecherische Regime habe den Wohlstand im Volk nicht erhöht: „Unser Ziel ist die Demontage dieses Regimes, das das Land in Verruf gebracht und zerstört hat. Wir können siegen, wenn wir uns vereinigen“.

In Wahrheit hätte die liberale Opposition vielleicht höchstens die neue Siebenprozenthürde für den Einzug ins Parlament schaffen können, wenn sie sich vereinigt hätte. Weil sie dies nicht geschafft hat, wird sie nach den Parlamentswahlen am nächsten Sonntag mehr denn je in der Bedeutungslosigkeit dahindümpeln.

„Die Dinge sind aufseiten des liberalen Flügels derzeit aussichtslos“, sagt der frühere Abgeordnete Wladimir Ryschkow zum Standard. Ryschkows Republikanische Partei wurde von den Behörden erst gar nicht registriert. Kasparow, der frühere Ministerpräsident Michail Kasjanow oder die Parteien SPS und Jabloko werden vom Kreml allenthalben behindert. Wem die Registrierung nicht verweigert wurde, wird der Zutritt zum Fernsehen verwehrt. Zuletzt wurden regionale Parteimitglieder unter Druck gesetzt, aus der Opposition auf die Seite der Machtmonopolisten zu wechseln.

Übermächtig

Dort hat die übermächtige Partei „Einiges Russland“ das Sagen, und in ihr Staatspräsident Wladimir Putin. Eine satte Zweidrittelmehrheit ist die Vorgabe für die Parlamentswahlen. Aufgrund der Nervosität, die Partei könne hinter den Erwartungen zurückbleiben, werden zuletzt alle möglichen und unmöglichen Hebel aktiviert. Schließlich wird das Modell, mit dem Putin auch weiterhin die russische Politik beeinflusst, vom Wahlausgang abhängen.

20 Prozent der Wähler sind unentschlossen, wie Umfragen ergeben haben. Die Menschen sind enttäuscht wegen der beschleunigten Inflation, apathisch und gelangweilt durch die fehlende politische Konkurrenz, ratlos angesichts der Inhalte von Putins Partei. „Die Wahlen sind den sowjetischen Wahlen auf weiten Strecken ähnlich“, sagt der Chef des Meinungsforschungs-Institutes Lewada-Zentr, Lew Gudkow: „Der Sinn dieser Wahlen besteht in der Konservierung der bestehenden Sachlage“, sagt er. Dies ist „Putins Plan“, wie dessen Partei wirbt. Die Opposition setze sich ihm entgegen, weil sie „einen schwachen, kranken Staat“ wolle, sagte Putin in der vergangenen Woche – und warnte gleichzeitig vor einer angeblich geplanten „Revanche“ russischer Oligarchen, die die Opposition unterstützten.

Gemeint waren wohl die reichen russischen Geschäftsleute, die ins ausländische Exil gegangen sind. Denn in Russland selbst riskiert nach der Inhaftierung des früheren Ölmilliardärs Michail Chodorkowski kein Oligarch die Finanzierung der Opposition. Die Zeichen stehen wirtschaftlich und politisch auf Kooperation mit der allmächtigen Staatsführung.

Beispielhaft führen dies die nationalistischen Liberaldemokraten des Politrabauken Wladimir Schirinowski und die Kommunisten vor. Hinter der oppositionellen Rhetorik der beiden verbirgt sich konsequente Loyalität mit dem Kreml. Putin selbst hat die Kommunisten als eher „systemnahe Opposition“ bezeichnet. Mit 15 Prozent könnten sie die Einzigen sein, die neben Putins Partei ins Parlament kommen. (Eduard Steiner aus Moskau/DER STANDARD, Printausgabe, 26. November 2007)