Journalismus sei nichts für Menschen, "denen Zynismus
auch in Spurenelementen zuwider ist. Man wird, ohne es zu wollen, zum
Zyniker." Dieser Meinung ist einer, der weiß, wovon er spricht -
nämlich Thomas Chorherr, langjähriger früherer Chefredakteur der
"Presse" und von 1994 bis 2000 Herausgeber der Tageszeitung. Am
Dienstag feiert der Doyen der heimischen Medienlandschaft seinen 75.
Geburtstag.
1955 Wechsel zur "Presse"
Am 27. November 1932 als Sohn des Wiener Kaufmanns Otto Chorherr
geboren, startete Thomas Chorherr seine journalistische Laufbahn
schon während seines Jusstudiums in Wien. 1950, im Jahr seiner Matura
am Akademischen Gymnasium, begann er als Lokalreporter beim "Neuen
Österreich". 1951/52 schaltete Chorherr dann ein Studienjahr als
Fulbright-Student an der Ohio Wesleyhan University in Delaware ein.
Doch der Journalismus ließ ihn nicht los: 1952 und 1953 betätigte er
sich als Editor in der Presseabteilung der US-Mission for Economic
Cooperation; 1953 bis 1955 kümmerte er sich als Redakteur um die
außenpolitische Berichterstattung der Wiener "Weltpresse", ehe er mit
1. Februar 1955 zur "Presse"-Mannschaft stieß.
Bei dem Wiener Großformat führte Chorherrs Weg vom Lokalredakteur
- inzwischen war er zum Dr. jur. promoviert - zum Ressortchef für
Chronik und Lokales (1957 bis 1967) über die Ressortleitung für den
Hintergrundteil auf der Seite 3 zum innenpolitischen Ressortchef
(zwischen 1970 und 1973). 1973 avancierte Chorherr zum
stellvertretenden Chefredakteur der "Presse", am 1. Oktober 1976
schließlich zum Chefredakteur. Diese Position behielt er vorerst auch
nach einer schweren Gehirnblutung am 13. Oktober 1993.
Seit 2000 im Ruhestand
Im März 1995 wechselte er in die Funktion des Herausgebers, die er
bis März 2000 wahrnahm, als er in den Ruhestand trat. Noch heute aber
ist er "seiner" Zeitung als Autor verbunden. Er wurde unter anderem
mit dem Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse
ausgezeichnet, schon seit 1992 trägt er den Berufstitel Professor.
Als Höhepunkte seines journalistischen Schaffens beschreibt
Chorherr im "Journalist" den "Jubel der Menge" vor dem Belvedere, als
1955 der Staatsvertrag unterzeichnet wurde. "Sogar Tränen in die
Augen schießen" ließ ihm der Empfang des allerletzten
Heimkehrertransports im Bahnhof Vöslau: Ein erschöpfter und
ausgemergelter Kriegsgefangener wurde von seinen ehemaligen
Schulkameraden und dem Schuldirektor empfangen - und erhielt sein
Maturazeugnis. (APA)