Wenn der Asylgerichtshof tatsächlich so wie derzeit diskutiert eingerichtet wird, dann erschüttert das die Grundfesten des Rechtsstaates Österreich. Asylwerbern soll das Recht einer Beschwerdemöglichkeit beim Verwaltungsgericht genommen werden – ein Recht, das etwa Parksündern zusteht.

Derzeit kippt der Verwaltungsgerichtshof als zuständiges Höchstgericht bis zu 22 Prozent der Entscheidungen. Das heißt: zwei von zehn Asylsuchenden, die sich an den Verwaltungsgerichthof wenden, bekommen erst dadurch ihren Flüchtlingsstatus. Das sind 200 bis 300 Flüchtlinge pro Jahr. Dass Asylwerbern dieses Recht weggenommen wird, bedeutet weniger Rechtsschutz.

Es besteht zusätzlich noch ein skandalöses Ungleichgewicht: Der Innenminister kann Überprüfungsverfahren beim Verwaltungsgerichtshof einleiten. Das Kontrollrecht, das in einem Rechtsstaat beiden Seiten zusteht, wird somit ausgeschaltet. Außerdem werden Richter in Grundsatzfragen quasi zu Gesetzgebern. Denn der Verfassungsgerichtshof darf nur überprüfen, ob Verfassungsrechte verletzt wurden, nicht aber, ob das Asylverfahren an sich rechtlich korrekt abgelaufen ist.

Zugute halten kann man dieser Regierung, dass sie endlich handelt. Denn viele warten schon fünf Jahre und länger auf ihren Asylbescheid. Der Rückstau an offenen Fällen – derzeit über 30.000 – muss rasch abgearbeitet werden. Aber die Verfahrensbeschleunigung rechtfertigt nicht die Einschränkung der Rechte Betroffener, und die Einrichtung des Asylgerichtshofs bewirkt noch keine schnelleren Verfahren.

Gravierende Verfassungsänderungen dürfen auf keinen Fall im Schnellverfahren durchgesetzt werden. Überlegenswert und praktikabel ist daher der Vorschlag des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs, Clemens Jabloner: dass sich Asylwerber an den Verwaltungsgerichtshof wenden können, aussichtslose Fälle aber im Schnellverfahren zurückgewiesen werden dürfen.

Ob mit der versprochenen Personalaufstockung um 24 Richter auch die „Qualität der Asylverfahren deutlich erhöht“ werde, wie SP-Klubobmann Josef Cap meint, wird sich erst zeigen. Es ist auch merkwürdig, dass die Besetzung der Richter auf Vorschlag der Bundesregierung erfolgt. Das erweckt den Anschein, dass man sich ein Instrument schaffen will, damit bei der Rechtssprechung das herauskommt, was nach dem Willen der Bundesregierung herauskommen soll.

Experten wie der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk haben massive Bedenken geäußert. Auch Justizministerin Maria Berger, die den Regierungsbeschluss zuerst mitgetragen hatte, fand vor zwei Wochen noch kritische Worte, dass Asylwerbern das Recht auf Bewerde genommen werde: „Es müssen beide zum Verwaltungsgerichthof gehen können, oder keiner.“

Wenn sie akzeptiert, dass ein zentraler Grundsatz der Gerichtsbarkeit gekippt wird, dass alle Prozessparteien die gleichen Rechtsmöglichkeiten haben, muss sich die SPÖ-Politikerin die Frage gefallen lassen, ob ihr ihr Ministeramt wichtiger ist als ein zentrales Prinzip des Rechtsstaats.

In Deutschland trat die damalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zurück, als gegen ihren Widerstand der Lauschangriff eingeführt wurde, weil sie die Grundrechte verletzt sah. Die SPÖ muss sich generell nach ihrem rechtsstaatlichen Verständnis fragen lassen, wenn Ausfälle ihres Sicherheitssprechers Rudolf Parnigoni nicht auf massive Kritik stoßen. Er hatte ausgerechnet Verfassungsgerichtshofpräsident Karl Korinek wegen dessen Kritik am Fremdenrecht als „inkompetent“ bezeichnet. Als der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider die Ortstafel-Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs als „falsch“ bezeichnete, gab es einen Aufschrei in der SPÖ.

In den nächsten Tagen wird sich zeigen, welche Politiker Rückgrat besitzen, gegen die Aushöhlung des Rechtsstaates aufzutreten – oder letztlich doch zustimmen. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, Printausgabe, 26.11.2007)