Während sich Luxus-Messe-Besucher vergoldete Kommoden und dicke Autos anschauen, ...

Foto: STANDARD/Fischer

... sammelt die „Wiener Tafel“ überschüssige Lebensmittel und schenkt sie Bedürftigen

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Wien ist reich, schön und sexy – wer mit den engagierten Helfern vom Sozialprojekt „Wiener Tafel“ unterwegs ist, lernt die Bundeshauptstadt von einer anderen Seite kennen. Veranstaltungen wie die Luxusmesse in der Hofburg erscheinen dann noch absurder.

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Die erste Station ist das Jugendhaus der Caritas in Ottakring. Da wird Jupp Röger schon einmal einen Gutteil seiner Ladung los. Die pickerte Limo, die er diesmal im Gepäck hat, kommt bei den Kids nämlich wesentlich besser an als das Obst und Gemüse, das er normalerweise liefert.

Und so finden sich spontan ein paar Freiwillige ein, die dem pensionierten Software-Experten, der im Rahmen des Sozialprojekts „Wiener Tafel“ regelmäßig Lebensmittel durch die Stadt kutschiert und an Bedürftige verteilt, beim Ausladen helfen. „Diese kleinen Flaschen passen super in die Sackerln, die wir den Bewohnern zu Weihnachten schenken“, sagt Sozialarbeiterin Elisabeth Drabek, die ebenfalls mitanpackt. „Die freuen sich dann immer wie die kleinen Kinder.“ Röger hat derweil ein Auge darauf, dass die jungen Bewohner des Caritas-Heimes nicht alle Kisten aus dem weißen Kleinbus hieven – schließlich hat er noch fünf weitere Adressen auf der Liste stehen.

Freude über Limo

Die „Wiener Tafel“ rettet seit vier Jahren unverdorbene Lebensmittel vor dem Müll. Drei Tonnen Essbares liefern die ehrenamtlich tätigen Mitarbeiter täglich aus. Immer mehr Supermarktketten, Hotels und Restaurants sind bereit, ihre überschüssigen Lebensmittel sozialen Einrichtungen zu überlassen, anstatt sie wegzuschmeißen. „Wobei es nach wie vor viel Zeit kostet, die einzelnen Firmen dazu zu überreden, mit uns zusammenzuarbeiten“, sagt Röger. Wien ist reich, schön und sexy. Alles läuft prächtig in der Bundeshauptstadt – wer bei der „Wiener Tafel“ mitarbeitet, lernt die Stadt von einer anderen Seite kennen. Das Haus Hernals zum Beispiel bietet 270 obdachlosen Männern Unterschlupf. Das in die Jahre gekommene Wohnheim ist eigentlich ein Notquartier, trotzdem leben viele Bewohner bereits seit Jahren dort – weil sie nicht wissen, wo sie sonst hinsollen und seit ihrer Kindheit an ein Leben im Heim gewöhnt sind. Oder das Haus Leo: 50 Männer verbringen hier in winzigen Zimmerchen ihren Lebensabend.

Über die Limo, Marke Billigsdorfer, freuen sich alle – nicht nur die Jungen. Im Haus Rupert Mayer in Ottakring, in dem Sozialhilfeempfänger leben, die Krankenpflege benötigen, begibt sich ein Bewohner, ein äußerst schwerhöriger Achtzigjähriger, sogleich in den Speisesaal, als er den weißen Lieferwagen mit der Aufschrift „Wiener Tafel“ vorfahren sieht. Die Betreuerin hat einige Mühe, ihm zu erklären, dass die Getränke erst beim Abendessen ausgegeben werden. Als er’s dann endlich verstanden hat, schlapft er mit den Worten „Ach so, erst am Abend, dann warte ich so lange in meinem Zimmer“ davon.

"luxury, please"

Und während der eine auf Limonade wartet, treffen sich anderswo die Reichen und Schönen dieser Stadt – oder die, die’s gerne wären. Vergangenes Wochenende ging in der Hofburg zum zweiten Mal die Luxusmesse „luxury, please“ über die Bühne. An die 130 Aussteller zeigten im kaiserlichen Ambiente ihre sündteuren Waren. Dicke Autos, schnittige Boote, schwere Klunker: Um sich unleistbaren Luxus anzuschauen, zahlten die Besucher 29 Euro Eintritt. An so einem grauen November-Wochenende ist offenbar vielen Wienern fad. Wer seine Freizeit sinnvoller verbringen will, hilft bei der „Wiener Tafel“ mit. Die sucht nämlich noch Freiwillige. (Martina Stemmer, DER STANDARD; Printausgabe, 26.11.2007)