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Vor dem Ausbruch der Krawalle waren zwei Teenager bei einem Verkehrsunfall in Villiers-le-Bel getötet worden, in den ein Polizeiwagen verwickelt war.

Foto: REUTERS/Gonzalo Fuentes
Der Funke zündete in der Nacht auf Montag, als in der Pariser Vorstadt Villiers-le-Bel, auf Deutsch etwa „Das schöne Villiers“, eine Polizeistreife mit einem Motorrad zusammenstieß. Auf dem Motorrad waren zwei Jugendliche afrikanischer Abstammung, Moushin (15) und Larami (16), gesessen; Polizeiangaben zufolge ohne Helm. Sie seien von links gekommen und ohne Licht über die Kreuzung gerast. Beide erlitten tödliche Verletzungen.

Als ein erster Polizist am Unfallort auftauchte, wurde er von Jugendlichen mit Eisenstangen zusammengeschlagen. Er erlitt Nasen- und Rippenbruch, sein Streifenwagen ging in Flammen auf.

Durch Mobiltelefone alarmiert, begannen sich Banlieue-Kids zusammenzurotten und die Vertreter der Staatsgewalt anzugreifen. Rasch weiteten sich die Straßenschlachten aus, Mülltonnen, dutzende Autos und mehrere Gebäude sowie eine Autowerkstatt brannten aus. In Arnouville-lès-Gonesse plünderten Jugendliche eine Polizeiwache und nahmen Uniformen und Schlagstöcke mit. Bei den Krawallen wurden 25 Polizisten verletzt, zwei davon schwer.

Am Morgen danach wachte Frankreich mit einem „Banlieue-Kater“ auf. Zu viel erinnert an den Auslöser der wochenlangen Krawalle im Herbst 2005. Damals waren zwei Jugendliche auf der Flucht vor der Polizei ums Leben gekommen.

Montagabend kam es in Villiers-le-Bel erneut zu Straßenschlachten. 100 Bereitschaftspolizisten wurden mit Feuerwerkskörpern angegriffen, ein Polizeiauto wurde in Brand gesetzt. Acht Polizisten wurden – unter anderem durch Schrotkugeln – verletzt. Die Krawalle weiteten sich auf insgesamt vier Pariser Vorstädte aus.

Wie vor zwei Jahren verdächtigen Angehörige die Polizei auch jetzt, nicht die Wahrheit zu sagen. Sie fragen, warum das Motorrad keine Spuren des Unfalls zeige und warum der Polizeiwagen vor allem rechts beschädigt sei. Eine Untersuchung wurde eingeleitet, auch wegen möglicherweise „fahrlässiger Tötung“ und „Nicht-Hilfeleistung“ durch die Polizisten. Die Staatsanwältin meinte aber am Montag, dass „die Verantwortung der Polizei nicht gegeben zu sein scheint“.

Der Bruder von einem der Verunfallten, Omar Sehhouli, sagte: „Die Ausschreitungen, das war keine Gewalt, das war bloß der Ausdruck der Wut.“ Entscheidend wird die Reaktion in den Wohnsiedlungen des Nachbardepartements Seine-Seine-Denis sein. Dort hatten die Krawalle vor zwei Jahren begonnen, dort liegt Expertenaussagen zufolge das größte Gewaltpotenzial.

In den Vierteln hat sich seit November 2005 kaum etwas verändert. Die 700 Mio. Euro, die der damalige Premier Dominique de Villepin für die Banlieues freigegeben hatte, scheinen sich weitgehend in Luft aufgelöst zu haben. (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD, Printausgabe, 27.11.2007)