Johann Zwettler: "Wolfgang Flöttls Leverage zu hundert Prozent auf den Yen – das ist der größte Hammer gewesen."

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Ex-Bawag-Chef Johann Zwettler hat sich sein Geständnis "reiflich überlegt", will so reinen Tisch mit sich selbst machen. Elsner und die übrigen Angeklagten will er damit nicht eingetunkt haben, sagte er im Gespräch mit Renate Graber. Flöttl hält er für einen Spieler, mit den dramatischen Ereignissen 2005 habe er nichts zu tun.

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STANDARD: Warum haben Sie gerade heute ein Teilgeständnis abgelegt? Zu Beginn des Prozesses waren Sie felsenfest davon überzeugt, keine Schuld an dem Bawag-Debakel zu tragen.

Zwettler: Ich habe mir das reiflich überlegt und wollte das tun, bevor die beiden Gutachter mit den technischen Details kommen.

STANDARD: Kann man das auch so ausdrücken: Sie tragen dem Faktum Rechnung, dass Gutachter Keppert die Bilanzen 1998 und 1999 für nicht ordnungsgemäß zustande gekommen hält, kurzum, dass es enger wird?

Zwettler: Nein, nein, das hat damit gar nichts zu tun. Jetzt beginnt mit den Gutachtern eine neue Verfahrensphase, und davor wollte ich das tun.

STANDARD: Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie da vor all den Leuten als Erster etwas gestanden haben?

Zwettler: Ich kann das sehr schwer beschreiben. Das ist ein Schritt, zu dem man sich entschließt, und dann geht man durchs Feuer oder durchs Eis, wie Sie's sehen wollen.

STANDARD: Die Spitzen des Eisbergs Causa Bawag sind vor zwei Jahren aufgetaucht, verhandelt wird seit Juli. Warum haben Sie so lange gebraucht für Ihre Einsicht?

Zwettler: Es sind viele Dinge erst jetzt aufgetaucht, etwa die Erkenntnis, dass Herr Flöttl das Geld nur mit Leverage (Hebel, Anm.) mit Yen verloren hat. Das habe ich vorher nicht gewusst. Der Prozess hat mich in vielen Dingen klüger gemacht.

STANDARD: Was war denn die größte Überraschung für Sie?

Zwettler: Wolfgang Flöttls Leverage zu hundert Prozent auf den Yen – das ist der größte Hammer gewesen.

STANDARD: Sie haben mit Ihrem Teilgeständnis auch Ex-Vorstandschef Helmut Elsner belastet. Sie sagen, er hätte das Vermögen Flöttls mit 800 Millionen bis einer Milliarde Dollar beziffert, und er habe die Geschäfte im Aufsichtsrat so dargestellt, dass der Aufsichtsrat, der sowieso nichts nachgefragt habe, zustimmte. Warum haben Sie die beiden eingetunkt?

Zwettler: Das mit der Vermögensdarstellung war so, und Herr Flöttl war dabei und hat dazu geschwiegen und genickt. Das Wort, das Sie da verwenden, möchte ich gar nicht in den Mund nehmen – ich will mit meiner Aussage weder ein Judas noch ein Lügner sein. Vielleicht hat ja Herr Elsner in gutem Glauben gehandelt, das kann ich absolut nicht beurteilen; und was Herr Flöttl gemacht hat, weiß ich nicht. Der restliche Vorstand hat jedenfalls Flöttls Vermögen gar nicht gekannt. Wie ich in meinem Geständnis gesagt habe: Es wäre ein Glücksfall gewesen, wenn das Vermögen an die uns mitgeteilten Werte herangekommen wäre. Aber ich will keinen Vorstandskollegen, keinen Angeklagten belasten, mein Geständnis bezog sich rein auf meine Person – darum habe ich auch nie im Plural gesprochen.

STANDARD: Sie haben bis vor kurzem gebetsmühlenartig wiederholt, Sie hätten alles nur getan, um die Bawag zu retten. Auch in Ihrem Geständnis sprechen Sie davon, dass Bilanzsumme und Wert der Bank gestiegen seien. Sehen Sie das immer noch so?

Zwettler: Ich habe das alles Revue passieren lassen und war mir keiner juristischen Schuld bewusst. Ich war mir dessen, vom ersten Tag im Vorstand, an dem die Geschäfte begonnen wurden, absolut nicht bewusst. Bewusst wurde mir das erstmals, als ich im Frühjahr 2006 zur ersten Einvernahme gebeten wurde und dann, als im Herbst 2006 die Anklage kam.

STANDARD: Ihr größter Fehler?

Zwettler: Gutgläubigkeit.

STANDARD: Glauben Sie, dass Flöttl oder Elsner es Ihnen gleichtun könnten? Mir ist aufgefallen, dass Sie in all den 53 Verhandlungstagen nie mit den beiden redeten.

Zwettler: Ich bin mit mir beschäftigt. Was die beiden Herren vorhaben, kann ich beim besten Willen nicht sagen. Elsner war der Chef, ich war das ab 2003. Elsner kenne ich seit vielen Jahrzehnten, er war ein ausgezeichneter Filialdirektor in Graz. Der Herr Elsner, der hier auf der Anklagebank sitzt, ist nicht mehr der Herr Elsner, den ich das letzte Mal bei meiner Pensionierung Ende 2005 gesehen habe. Er ist psychisch und physisch nicht mehr der Gleiche.

STANDARD: Wundert es Sie eigentlich, dass er nach Ihrem Teilgeständnis in Bezug auf Bilanzfälschung 1998 und 99 gesagt hat, er wisse nicht, was Sie da gemacht haben, er selbst sei für die Bilanzierung nicht zuständig gewesen? Immerhin war er Chef der Bank.

Zwettler: Natürlich wird bei der Bilanzerstellung Grundsätzliches wie Dividende, Rücklagenbildung, Kapitalsituation mit dem Vorstandsvorsitzenden und Gesamtvorstand besprochen. Sicher hat Elsner keine Buchungen gemacht, aber natürlich hat er den Rohentwurf bekommen.

STANDARD: Ein reumütiges Geständnis ist für den Fall einer Verurteilung ein wesentlicher Strafmilderungsgrund. War das der Grund für Ihr Geständnis?

Zwettler: Ich habe meine Aussage getroffen, weil ich mich nicht selbst verleugnen kann. Ich wollte reinen Tisch machen, für mich selbst. Natürlich haben mir die Anwälte gesagt, dass das strafmildernd wirkt, aber darum ging es nicht in erster Linie. Dieser Schritt war meine Idee, ein großer Reifungsprozess, und dann haben wir das Geständnis formuliert – ich habe ja auch den Entwurf dafür geliefert, der dann von meinen Anwälten überarbeitet wurde.

STANDARD: 1998 waren 639 Mio. Dollar weg, ab da hielten Sie alles geheim. Wie haben Sie das ausgehalten?

Zwettler: Schauen Sie, ich habe für eine Bank gearbeitet, die keinen Euro Kapital bekam vom Eigentümer, die expandieren musste, die einen Verlust hatte und ein Tagesgeschäft. Ich habe das alles erledigt, mit dem Satz "Was man will, das kann man", der mich seit meiner Jugend geprägt hat. Eines dieser Geschäftsfelder hätte gereicht, ich war total beschäftigt.

STANDARD: Haben Sie sich je überlegt, alles offenzulegen und zu gehen?

Zwettler: Nein. Ich habe mich strikt an die Vorgaben von Elsner und Präsident Weninger gehalten. Ich hätte das nie auffliegen lassen. Ich habe mit meiner Familie sehr wohl darüber geredet, wie das wäre, wenn ich gehe, aber letztlich wollte ich die Bank nicht im Stich lassen. Wir haben alles getan für die Bank, aber leider dürfte dort oder da ein juristisches Fehlverhalten dazugekommen sein. Das muss das Gericht würdigen.

STANDARD: Warum hätten Sie nie etwas auffliegen lassen?

Zwettler: Aus Loyalität zur Bank. Die Bank stand im Vordergrund, immer.

STANDARD: Was ist schief gegangen?

Zwettler: Wir haben viele Jahre gute Geschäfte mit Flöttl gemacht, ihm vertraut. Leider hat er seine Strategie, mit der er bis 1998 gewonnen hat, gewechselt.

STANDARD: Ist er ein Spieler?

Zwettler: Wer hundert Prozent Leverage vom Dollar in den Yen dreht, ist ein Spieler.

STANDARD: Ist alles Geld weg?

Zwettler: Ich habe nichts, da können Sie mich auf den Kopf stellen. Andere mögen etwas haben, aber es gibt keine Beweise für derartige Gerüchte. Ich kann nicht ausschließen, dass nicht doch noch etwas übriggeblieben ist.

STANDARD: Sie sagen, es sei Ihnen "fürchterlich" gegangen, als Sie von den ersten Verlusten erfahren haben. Wie ging es Ihnen am 1. Mai 2006, als der Staat die Haftung geben musste?

Zwettler: Das hat ja mit mir nichts zu tun gehabt.

STANDARD: Rechnen Sie mit einer Verurteilung, müssen Sie ins Gefängnis?

Zwettler: Wenn man einmal da vorne auf der Anklagebank sitzt, sieht man, dass alles möglich ist. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.11.2007)