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Faszination Erde: Die Aufnahme zeigt den höchsten natürlichen Gesteinsbogen der Welt. Etwa 40 Kilometer von der chinesischen Handelsstadt Kashgar entfernt.

Foto: APA/dpa/Gordon Wiltsie
Die Wissenschafter arbeiten zum Thema Energieversorgung und vermessen das Land "bis zum letzten Misthaufen".

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Geologen? Sind das nicht diese verschrobenen älteren Männer, die sich gegenseitig Steinbrocken zeigen und nur in Jahrmillionen denken? Der erste Eindruck beim Betreten der Geologischen Bundesanstalt (GBA) im dritten Wiener Bezirk scheint diese Idee zu bestätigen. Im Foyer finden sich Bilder ehrwürdiger Forscher und natürlich: Steine. Dazu ein riesiges buntes Mosaik an der Wand – ein erst vor kurzem eröffnetes Kunstwerk von Christian Ludwig Attersee.

Verschrobene ältere Herren? Oder doch eine moderne, facettenreiche Wissenschaft? Maria Heinrich, Leiterin der Abteilung Rohstoffgeologie, beschreibt ihr Arbeitsfeld: „Unser Schwerpunkt hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten von den klassischen Rohstoffen wie Erzen und Kohlen zu den mineralischen Baurohstoffen verschoben.“ Das hänge mit der Erkenntnis zusammen, dass nur eine gesamtstaatliche Betrachtung der Rohstoffvorkommen eine nachhaltige Versorgung ermöglicht.

Denn Rohstoffe sind endlich. Allein in Österreich werden pro Jahr über 100 Millionen Tonnen an mineralischen Rohstoffen wie Sand, Kies, Naturstein, Kalk und Ton verbraucht. Der größte Teil fällt auf die Bauwirtschaft, aber auch in Alltagsprodukten, vom Computer über Papier bis zur Zahnpasta finden sich mineralische Rohstoffe. „Wir erheben in Zusammenarbeit mit Universitäten und geologischen Landesdiensten wo, in welcher Menge und in welcher Qualität einzelne Rohstoffe vorkommen“, erklärt Heinrich. Unumgänglich hierfür sei natürlich Feldforschung, die heute durch geografische Informationssysteme und digitale Höhenmodelle unterstützt wird.

Rohstoffplan

Die Abteilung liefert somit die Grundlagen für politische Entscheidungen im Rahmen des Rohstoffplans des Wirtschaftsministeriums, der die Versorgung mit mineralischen Rohstoffen für die nächsten 50 bis 100 Jahre sichern soll. „Das ist zwar in gewisser Weise auch noch kurzfristig gedacht“, rückt Heinrich die zeitlichen Dimensionen zurecht.

Ganz vernachlässigt werden in der vom Wissenschaftsministerium unterstützten Geologischen Bundesanstalt aber auch die klassischen alten Rohstoffe nicht. Erst vor kurzem wurde ein zehnjähriges Projekt abgeschlossen, in dem 4500 historische Bergbaue mit Halden, Stollen und Schächten kartiert wurden. „Heute ist österreichische Kohle zwar nicht gefragt, aber wenn die Energieversorgung eng wird, wissen wir, wo sie zu finden ist“, meint dazu Projektleiter Albert Schedl. Dass alte Kenntnisse mit fortschreitendem Wissensstand immer wieder neu bewertet werden, sei nämlich geradezu typisch für die Geologie.

Eine solche Neubewertung erwartet auch Gregor Götzl von der Abteilung Geophysik für seinen Fachbereich. Der Geothermiker ermittelt Temperaturfelder für unterschiedliche Tiefen.

„Die Wärme aus dem Erdinneren an sich ist nicht nutzbar“, erklärt er. Erst in Verbindung mit einem Trägermedium, z. B. Wasser, werde sie wirtschaftlich interessant. Heute wird Erdwärme in Österreich v. a. für Thermalbäder genutzt. Götzl glaubt, dass in Zukunft das Interesse an Erdwärme für die Energieversorgung steigen wird. Immerhin handelt es sich dabei um eine emissionsfreie und damit sehr umweltverträgliche Energie.

Eine Zukunftsperspektive der Geothermie ist das sogenannte Hot-Dry-Rock-Verfahren (HDR). Wasser wird dabei in die Erde gepumpt und aufgeheizt. Derzeit macht die Erdwärme aber nur ein Prozent des österreichischen Energieverbrauchs aus. „Das liegt zum einen daran, dass die HDR-Technik noch nicht ausgereift und daher mit diversen Risiken verbunden ist“, sagt Götzl. HDR-Geothermie-Bohrungen stehen z. B. im Verdacht, an tektonisch labilen Stellen leichte Erdbeben auszulösen.

Fassbarkeit

Aber auch in der Fassbarkeit der Geothermie sieht er einen Grund, warum sich diese Energiequelle so langsam durchsetzt. Windräder könne man besichtigen und eröffnen, Erdwärme sei dagegen sehr abstrakt. Allein die Vorstellung, dass die Temperatur pro 100 Meter im globalen Schnitt drei Grad zunimmt, klinge für viele sonderbar. „Schließlich ist es im Keller kühler als oben“, lacht der Geothermiker.

Damit Geologie für die Öffentlichkeit fassbarer wird, stellt die GBA viele Dokumente inzwischen online, neben wissenschaftlichen Veröffentlichungen sind das vor allem Karten. So kann man sich auf der Homepage informieren, wo in Österreich es bereits Berg- und Felsstürze gegeben hat. Oder man erfährt, dass der Stephansdom auf Kies-Untergrund steht. Sofern der gewünschte Abschnitt Österreichs schon geologisch erfasst ist, kann man auf den Karten „bis zum letzten Misthaufen“ hineinzoomen, wie es Thomas Hofmann, Öffentlichkeitsarbeiter der GBA gern ausdrückt. „Und wer nicht fündig wird, kann jederzeit anrufen“, sagt Hofmann.

Alle Fragen rund um die Geologie seien erlaubt. „Einmal wollte eine Dame z. B. wissen, ob man Wechselgneis, ein Gestein aus dem südlichen Niederösterreich, ins Aquarium geben darf“, erzählt er. „Nach Rücksprache mit der Abteilung für Kristallingeologie konnte ich ihr die Auskunft geben, dass Wechselgneis keine Stoffe abgibt, die Fische gefährden.“ Gegen eine Verschönerung des Aquariums mit diesem Gestein sei somit nichts einzuwenden. (Sabina Auckenthaler/DER STANDARD, Printausgabe, 28.11.2007)