Blaualgen sind spannende Organismen: Mit einem Alter von 3,5 Milliarden Jahren gehören sie zu den ältesten Lebensformen und mit ihrer Fähigkeit zur Photosynthese haben sie dazu beigetragen, dass diese im Lauf der Zeit eine atembare Atmosphäre erhielt. Ihren deutschen Namen haben sie daher, dass sie oft bläulich oder violett und algenähnlich aussehen – tatsächlich zählen sie aber zu den Bakterien, weshalb sie als Cyanobakterien genannt werden.

Sie kommen in fast allen Lebensräumen vor, besonders häufig in Süßwasser. Für Wachstum und Vermehrung sind sie auf eine kontinuierliche Zufuhr von Nährstoffen angewiesen, in prinzipiell sauberen Seen ist die diesbezügliche Versorgung jedoch großen Schwankungen unterworfen. Die Cyanobakterien umgehen das Problem, indem sie in „fetten“ Zeiten im Zellinneren Phosphate für „magere“ Phasen speichern.

Gernot Falkner vom Fachbereich Zellbiologie der Uni Salzburg und seine Mitarbeiter haben nun entdeckt, dass sich Blaualgen an die jeweiligen Muster der Phosphatfluktuationen, denen sie im vorangegangenen Wachstum ausgesetzt waren, „erinnern“ und Informationen über das vorher erfahrene Muster zur Regulation der nachfolgenden Phosphataufnahme verwenden.

Im Zuge eines FWF-Projektes haben die Forscher die physiologischen Hintergründe dieses „zellulären Gedächtnisses“ näher erforscht. Es beruht im Wesentlichen auf einem Wechselspiel von zwei Subsystemen der Zelle, die sich abwechselnd auf die physiologischen Veränderungen des jeweils anderen einstellen. Das eine Subsystem ist das Transportsystem, das die Phosphatmoleküle durch die Zellmembrane in das Innere der Zelle schleust, das andere ein Enzym, das an der Speicherung des aufgenommenen Phosphats in Form von Polyphosphat-Körnchen beteiligt ist.

Anpassung durch Wechselwirkungen

Eine Änderung in der Phosphatzufuhr führt in der Zelle zu einer ganzen Kaskade von Anpassungsprozessen, bei der sich zunächst das Transportsystem auf die neuen Bedingungen so einstellt, dass die Zelle eine Überlebenschance hat. Der dabei entstandene adaptierte Zustand bewirkt aber eine Stoffwechselveränderung, an die sich das Enzym anpasst. Dies hat eine Rückwirkung auf das Transportsystem, das sich nun wieder umbaut – und so weiter. Diese Wechselwirkungen, an denen auch andere Subsysteme der Zelle beteiligt sind, setzen sich so lange fort, bis die Zelle wieder optimal an die Umweltbedingungen angepasst ist.

Jede Veränderung dieser Umweltbedingungen provoziert einen neuen Anpassungsdurchgang, der von den Eigenschaften des vorherigen Zustandes abhängt. Auf diese Weise gibt es für jedes Muster der Phosphatfluktuationen im Umgebungswasser eine ganz bestimmte Verknüpfung von Adaptionsvorgängen, die von der Information über vorangegangene Anpassungen beeinflusst werden.

Das erklärt, wie es in einem Cyanobakterium ausschließlich durch physiologische Aktivitäten und ohne strukturelles Gedächtnis zu Informationsspeicherung und -weitergabe kommen kann. (strn/DER STANDARD, Printausgabe, 28.11.2007)