Thomas Trenkler
Wien - Die Wiener Linien sind keine Galerie, sagt man bei den Wiener Linien. Kunst haben sie dennoch zu bieten in ihren U-Bahn-Stationen. Von Anton Lehmden zum Beispiel, Oswald Oberhuber, Adolf Frohner und anderen: "Es soll etwas sein, was den vorbeieilenden Fahrgast ein bisschen anspricht", meint Senatsrat Hans Stockinger von den Verkehrsbetrieben über die Kriterien der Auswahl.
Nun kommen noch ein paar weitere Kunstwerke hinzu, und zwar auf der Verlängerung der U3 nach Simmering, die am 2. Dezember eröffnet werden soll: Erich Steininger und das Atelier Haider-Hahn gestalten die Station Enkplatz, in der Zippererstraße wird man auf "Kinderkunstwerke" stoßen - und am Vorplatz der Endstation auf einen Brunnen von Gottfried Kumpf.
Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Und manchmal wird auch gestritten. Nein, nicht über die "Kinderkunstwerke": Da hat man längst resigniert. Auch nicht über den Kumpf-Brunnen. Aber über die Ausgestaltung der Station Babenbergerstraße der U2 nächst dem Museumsquartier, die derzeit umgebaut und renoviert wird. Denn diese sollen Kunstwerke des Tiroler Bildhauers Rudi Wach zieren. Die Kosten für das Projekt Metamorphose - mit Reliefs in der Station und drei Bronze-Plastiken in der Passage - dürften bei rund drei Millionen Schilling liegen.
Das städtische Kulturamt steht dem Projekt äußerst kritisch gegenüber. In einer Stellungnahme heißt es:
"Der 1934 geborene Künstler kann bei aller Wertschätzung seiner soliden, abstrahierend-meditativen Skulpturen kaum mehr als typischer Künstler der Jahrtausendwende angesehen werden. Sein Stil wurzelt im Spätkubismus und in den 60er-Jahren, und dieser Sicht der Dinge kommt heute - ohne Wach damit diskriminieren zu wollen - nur mehr historisches Interesse zu. Gerade die Nachbarschaft der U3-Station zum künftigen Museum moderner Kunst im Museumsquartier sollte auch die Stadt Wien motivieren, Kunst der unmittelbaren Gegenwart in öffentliche Bereiche zu integrieren. Bei Wachs Skulpturen würde die Verantwortlichen garantiert der berechtigte Vorwurf retrospektiver Kunstgesinnung treffen."
Die Verkehrsbetriebe ließen sich von dem Vorhaben dennoch nicht abbringen. Und im Büro der zuständigen SP-Finanzstadträtin Brigitte Ederer zeigt man sich gar begeistert: "Rudi Wach ist ein wirklich internationaler Künstler", so Pressereferentin Elga Martinez-Weinberger. "Ich glaube, es wird irrsinnig toll."
"Ein Wahnsinn"
Im Museumsquartier bezweifelt man dies aber stark: Geschäftsführer Wolfgang Waldner deponierte die Ansicht der Nutzerplattform, nach der die Ausgestaltung der Station durch einen einzigen Künstler nicht die sinnvollste Variante sein könne. Lóránd Hegyi, Direktor des Museums moderner Kunst, äußerte sich ablehnend. Und Vitus H. Weh, Kunstkurator der Errichtungsgesellschaft, meint: "Das ist eine ungeschickte Fortsetzung der Zilkschen Manier der Beglückung. Man unterschätzt die Wichtigkeit der U-Bahn-Station als Entree für das Museumsquartier. Es ist eigentlich ein Wahnsinn, dass sich ein naturmystischer Bronze-Plastiker derart verwirklichen darf."
Weh plädiert - wie auch das Kulturamt - für die Ausschreibung eines geladenen Kunst-am-Bau-Wettbewerbes. Die Wiener Linien verweisen hingegen darauf, dass eine künstlerische Ausgestaltung nicht vorgesehen gewesen sei. Wach habe von sich aus ein Konzept vorgelegt - und dieses habe man eben für "plausibel" empfunden.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22. 8. 2000)