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Gudrun Wagner

Foto: AP /Eckehard Schulz

Bayreuth – Alle Jahre wieder, wenn es galt, durch eine Begrüßung der Gäste fotogen die Bayreuther Festspiele zu eröffnen, kam es zu diesem Moment der Wahrheit – bezüglich der Frage, wer am Grünen Hügel das Sagen hatte. Da stand Gudrun Wagner neben Festspielleiter/Ehemann Wolfgang Wagner und Tochter Katharina, winkte freundlich und demonstrierte so, dass sie zweifellos Teil des alles bestimmenden Machtzentrums war.

Offiziell ging es natürlich nur um Repräsentation; und wann immer es galt, öffentliche Aussagen zu tätigen, schwieg Gudrun. Dass ihr, die als Sekretärin Wolfgang Wagners in Bayreuth tätig war und den Festspielchef 1976 ehelichte, indes reichlich realer Einfluss zukam, daran herrschte seit Jahren kaum Zweifel.

Und je älter Wolfgang Wagner wurde, je exzentrischer seine öffentlichen Auftritte gerieten, bis sie (inklusive der alljährlichen traditionellen Bayreuther Pressekonferenz) ganz zu unterbleiben begannen, desto mehr verfestigte sich die Meinung, dass hinter der Kulissen eigentlich Gudrun in Bayreuth "nach dem Rechten" sah, ohne jedoch ein offizielles Amt innezuhaben. 2001 wollte Wagner diesbezüglich etwas formal absichern. Da Kritik an der Programmgestaltung der Festspiele laut und diese in Beziehung zum fortgeschrittenen Alter Wagners gesetzt wurde, ging Wolfgang in die Offensive. Er aktivierte den letztlich entscheidenden Stiftungsrat, um Gudrun als Nachfolgerin zu installieren, die – so die Vermutung – nur als Platzhalterin fungieren sollte, bis Tochter Katharina so weit gewesen wäre, die Nachfolge des seit 1967 regierenden Wolfgang anzutreten.

Doch der Stiftungsrat lehnte ab, entschied sich für Eva Wagner-Pasquier, die aus Bayreuth verbannte Wagner-Tochter aus erster Ehe. Wobei: Diese Entscheidung konnte keine Konsequenzen haben, denn Wagner hatte einen Vertrag auf Lebenszeit. Durch diese Pattsituation blieb die Nachfolgefrage ungeklärt.

Nun könnte allerdings Bewegung in die Sache kommen. Gudrun Wagner ist am Dienstag 63-jährig überraschend gestorben. Wenn die Vermutungen bezüglich ihres Einflusses einigermaßen zutreffen, dann sind die Festspiele nun gleichsam führungslos. Zweifel an der Geschäftsfähigkeit Wagner gab es ja schon. Und die von ihm abgelehnten Bewerberinnen – Tochter Eva Wagner-Pasquier und Nichte Nike Wagner – sind bereit.

Seltsamerweise könnte aber Gudruns Tod die Bayreuth-Chancen ihre Tochter Katharina erhöhen. Denn die Zweifel an ihrer Eignung wurden damit begründet, dass sich Katharina auch als Bayreuth-Chefin nicht dem Einfluss ihrer Mutter, Gudrun, entziehen könnte. (Ljubiša Tošic / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.11.2007)