v.l.n.r. Lisa Schindler, ÖH-Vorsitzende, Michael Kaiser, Geschäftsführer des TU Career Centers, Josef Broukal, SPÖ-Wissenschaftssprecher, Anita Zielina, derStandard.at/Uni (Moderation), Gertrude Brinek, ÖVP-Wissenschaftssprecherin und Anna Schopf, Gründerin der "Plattform Generation Praktikum" diskutierten über Praktika.

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Unter dem Motto "Praktikum – Risiko oder Chance" lud derStandard.at in Kooperation mit dem TU Career Center zur Podiumsdiskussion an der Technischen Universität Wien.

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Ein Praktikum bei der EU-Kommission in Brüssel, ein weiteres bei einem internationalen Konzern in Singapur oder vielleicht ein Langzeitpraktikum als Werbetexterin in einer Agentur? Mehr oder weniger beeindruckende Praktika zu absolvieren gehört mittlerweile zum Pflichtprogramm für viele Studierende. Abgesehen davon, ob es finanziell leistbar ist, eine Fülle von Praktika zum Billigtarif zu machen, stellt sich auch die Frage: Was bringt die "Praktikumsschleife" für das berufliche weiterkommen? Unter dem Motto "Praktikum – Risiko oder Chance" lud derStandard.at in Kooperation mit dem TU Career Center zur Podiumsdiskussion an der Technischen Universität Wien, Bildungsressortleiterin Anita Zielina moderierte. Der unmittelbare Anlass: Mit 2008 startet derStandard.at eine Online-Praktikumsbörse im Rahmen der Karriereseiten.

Unbezahlte Jobs

"Zu meiner Zeit hat man noch Geld bekommen, wenn man gearbeitet hat. Niemand wäre auf die Idee gekommen, jemandem unbezahlte Arbeit anzubieten", sagt Josef Broukal, SPÖ-Wissenschaftssprecher. Stark unterbezahlt oder sogar gratis zu arbeiten ist heute vor allem für StudentInnen keine Seltenheit mehr. Besonders bemerkenswert dabei ist, dass viele als Praktikum getarnte Beschäftigungsverhältnisse in Wahrheit Tätigkeiten entsprechen, die gemäß Kollektivvertrag bezahlt werden müssten. "Ein Drittel der von mir befragten PraktikantInnen hat angegeben, dass sie die selbe Arbeit wie ihre angestellten KollegInnen erledigen mussten", berichtet Anna Schopf, Gründerin der Plattform Generation Praktikum und Autorin einer Studie zum Thema Praktika.

Arbeitsrechtliches Wissen fehlt

Dass viele PraktikantInnen nicht wissen, dass sie für ihre Arbeit eigentlich regulär angestellt werden müssten, und dass sie generell zu wenig über arbeitsrechtliche Belange informiert sind, beschreibt Schopf als ein Teil des Problems. "Dass sich viele Leute gratis anbieten, ist insgesamt auch nicht förderlich", kritisiert Schopf.

Sinnvolle Praktika

Über rosige Zeiten dürfen sich derzeit Studierende naturwissenschaftlicher und technischer Fächer freuen. "Auf einen Absolventen kommen zum Teil 27 Stellenangebote", präsentiert Michael Kaiser, Geschäftsführer des TU Career Center eine Zahl, von der AbsolventInnen der Geistes- sowie der Human- und Sozialwissenschaften nur träumen können. Das TU Career Centers, achte bei den durch die TU vermittelten Praktika darauf, ob es sich tatsächlich um ein Praktikum mit "Lerneffekt" handle oder ob die ausgeschriebene Stelle eigentlich ein verdeckter "echter" Job sei. Praktika seien durchaus sinnvoll um unterschiedliche Arbeitsgebiete kennen zu lernen oder um sein theoretisches Wissen durch Praxis zu ergänzen, erklärt Kaiser. Aber: "Uniabsolventen haben nichts in einem Praktikum verloren".

"Auf Eltern oder Nebenjobs angewiesen"

Immerhin jeder zweite von Schopf befragte Student gab an, nach dem Studium noch ein Praktikum gemacht zu haben. "Viele sind auf ihre Eltern angewiesen oder müssen noch Nebenjobs machen, um sich ihr Praktikum überhaupt leisten zu können", kritisiert Lisa Schindler, ÖH-Vorsitzende. Darüber, dass in Bezug auf Praktika vieles im Argen liegt, war man sich am Podium einig. Auch an Ideen, welche Rahmenbedingungen die Politik schaffen müsste, fehlte es nicht. Die Verankerung von Praktika und Pflichtpraktika in allen Kollektivverträgen forderte etwa Schopf. Gertrude Brinek, ÖVP-Wissenschaftssprecherin forderte insbesonders junge Frauen auf, strategischer ihre Berufskarrieren zu planen und selbstbewußter aufzutreten: "Burschen wissen meistens schon in der Schule, dass sie Rechtsanwalt, Arzt oder Ferraribesitzer werden wollen", sagte Brinek.

Selbstbewußtsein zeigen

Auch der im Publikum anwesende Geschäftsführer des Karrierecenters der Uni Wien "Uniport", Bernhard Wundsam hatte einen Ratschlag: "Studierende brauchen mehr Selbstwertgefühl und sie müssen sich ihrer Macht bewusst sein. Wenn sie schlechte Erfahrungen mit einem Praktikum gemacht haben, spricht sich das herum. Man sollte die Mundpropaganda nicht unterschätzen". (burg, derStandard.at, 28. November 2007)