Bernhard Amann (53) sammelt Unterschriften. Ziel: Cannabis soll legal werden.

Foto: Markus Pehersdorfer

„Legalize!“ lautet die Forderung. Bernhard Amann (oben) kifft selbst nicht.

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Salzburg – Einige zusammengeschobene Tische in einem Seminarraum mit kahlen, weißen Wänden. Rundherum sitzen etwa zwei Dutzend junge und ältere Leute. Frauen und Männer, die aus fünf Bundesländern angereist sind. Samstagnachmittag, 24. November, in der Stadt Salzburg: Das erste österreichweite Vernetzungstreffen der „Bürgerinitiative für die Gleichstellung von Cannabis mit den legalen Drogen Alkohol und Nikotin“ geht über die Bühne. Und die Protagonisten entsprechen nicht dem Klischeebild: Weder Rastafrisuren noch -mützen sind zu sehen, und als einzige Drogen werden an diesem Nachmittag einige Zigaretten konsumiert.

"Die Gesellschaft braucht Sündenböcke"

"Die gesamte Drogendiskussion ist irrational. Die Gesellschaft braucht Sündenböcke, sie will diskriminieren", sagt Bernhard Amann. Doch der Vorarlberger Sozialarbeiter, Kommunalpolitiker und ehemalige Vorsitzende der österreichischen IG Kultur gibt nicht auf: Seit 2001 hat seine Bürgerinitiative, gemeinsam mit dem Verein "Legalize!", in Vorarlberg schon 15.000 Unterschriften gesammelt – gegen die "Inquisition", wie er sagt. Jetzt soll die Arbeit auf ganz Österreich ausgedehnt werden: "Es gibt eine halbe Million Kiffer in Österreich. Die Frage ist: Wie bringt man deren Hinterteile hoch?"

Mehr Kontrolle durch Legalisierung

Die Forderung ist klar: Cannabis soll auf eine Stufe gestellt werden mit Alkohol und Nikotin. Der Argumente dafür gibt es viele. Vor allem sollen Kiffer nicht mehr in die Illegalität gedrängt werden, weil ihnen am Schwarzmarkt auch weit Härteres angeboten wird. Außerdem fördere das Verbot die organisierte Kriminalität, dem Staat entgingen Millionen an Steuergeldern, der volkswirtschaftliche Schaden durch Arbeitsplatzverlust oder Gefängnisaufenthalte sei enorm. Eine Legalisierung könnte auch helfen, die Inhaltsstoffe von Marihuana oder Haschisch besser zu überwachen; außerdem könnten in kontrollierten Coffeeshops Alterslimits durchgesetzt werden.

"Es geht um Bürgerrechte"

Bernhard Amann selbst kifft nicht. Cannabis an sich stehe auch gar nicht im Vordergrund. "Insgesamt geht’s um mehr: Es geht um Bürgerrechte." Doch der Kampf um die Legalisierung ist schwierig, zumal gegenüber Politikern. Vor allem in den Jugendorganisationen der Parteien sei ein Ende des Cannabisverbots zwar immer wieder Thema, sagt Amann: "Aber Jungpolitiker stehen leider nur so lange dahinter, bis sie im Parlament sitzen." Rechtliche Erleichterungen zu erreichen, sei in Österreich "ein Kampf auf Millimeterpapier".

Kiffer fürchten, aufzufliegen

Auch viele Cannabisbenutzer schrecken davor zurück, sich öffentlich für eine Legalisierung auszusprechen. Sie fürchten die Konsequenzen. Nicht zufällig findet sich auf der Unterschriftenliste der Bürgerinitiative ein Hinweis: "Die Forderung nach der Legalisierung von Cannabis wie auch die Teilnahme an dieser Unterschriftenaktion ist völlig legal und ermöglichen der Exekutive keine weiteren Ermittlungen oder Amtshandlungen." Die Weitergabe von Daten an Dritte sei ausgeschlossen.

"Das Gesetz unwirksam machen"

"Wir sagen auch nie: 'Kifft!' Wir stellen nur eine politische Forderung", bestätigt der Bregenzer Rechtsanwalt Gebhard Heinzle. Er eröffnete das Vernetzungstreffen in Salzburg mit einem juristischen Fachvortrag über die Reform der Strafprozessordnung und das neue Suchtmittelgesetz. "Die Prohibition ist ungerecht, und wir sollten alle rechtlichen Möglichkeiten ausnutzen, um dieses Gesetz unwirksam zu machen", fordert er.

Beschuldigtenrechte wahrnehmen

Vor allem will Heinzle erreichen, dass die Betroffenen ihre Rechte als Beschuldigte und Zeugen gegenüber der Polizei kennen und auch wahrnehmen. Zum Beispiel sieht die Strafprozessordnung ab 1. Jänner ein Recht auf Akteneinsicht bei der Polizei vor. Das solle man nutzen und die vorliegenden Informationen vor einer Aussage erst mit einem Anwalt besprechen: "Solange aber immer nur alle vor der Polizei kuschen, wird sich nichts ändern."

Langfristiges Ziel: Volksbegehren

Der Verein "Legalize!" hat über 800 Mitglieder; die Website des Vereins verzeichnet über 1000 Besucher täglich. Bernhard Amann erhält jeden Tag drei bis vier rechtliche Anfragen von Betroffenen. Das Treffen in Salzburg soll der Auftakt sein, auch außerhalb Vorarlbergs Fuß zu fassen. Für Anfang März plant der Verein gemeinsam mit Gleichgesinnten aus dem Ausland eine Demonstration im Vorfeld der UN-Drogenkonferenz in Wien. Langfristig kann sich Amann vorstellen, ein Volksbegehren zur Legalisierung von Cannabis zu starten.

Kein "problematischer Drogenkonsum"

Die gesundheitlichen Folgen von Cannabis sind bis heute nicht restlos geklärt. Sie dürften aber mit denen "harter" Drogen nicht vergleichbar sein. So wurde weltweit noch nie ein Todesfall durch Cannabis bekannt. Auch im Drogenbericht 2007 des Bundesgesundheitsinstituts (ÖBIG) fällt Cannabis nicht in die Kategorie "Problematischer Drogenkonsum". Ob der Konsum zu körperlicher Abhängigkeit führen kann, ist umstritten. Psychotische Erkrankungen als Folgewirkung chronischen Kiffens können nicht ausgeschlossen werden; dies gilt aber auch für Alkoholmissbrauch. (Markus Peherstorfer; derStandard.at, 28.11.2007)