Karlsruhe - Politisch motivierte Brandanschläge gelten in Deutschland künftig nur bei einer erheblichen Gefährdung des Staates als Terrorismus. Nach einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe wird die linksextreme "militante gruppe" (mg) nicht mehr als terroristische Vereinigung eingestuft. Zugleich setzte das Gericht am Mittwoch die Haftbefehle gegen drei mutmaßliche mg-Mitglieder außer Vollzug. Obwohl die Gruppe Brandanschläge auf Gebäude und Fahrzeuge staatlicher Institutionen, Unternehmen oder anderer Einrichtungen begehe, könne sie nur noch als kriminelle Vereinigung gelten.

Das Gericht hatte über die Haftbeschwerden der drei Männer zu entscheiden, die Ende Juli nach einem versuchten Brandanschlag auf drei Fahrzeuge der Bundeswehr im ostdeutschen Bundesland Brandenburg festgenommen worden waren. Die zwischen 35 und 46 Jahre alten Männer waren seit Anfang August in Haft. Der BGH erteilte nun Auflagen, um eine Fluchtgefahr auszuschließen.

Die Beschuldigten seien zwar der Tat und auch der Zugehörigkeit zu der Gruppe dringend verdächtig, so der BGH. Nach der gesetzlichen Neufassung im Jahr 2003 sei der Terrorismusparagraf aber nur noch anwendbar, wenn die Taten staatsgefährdende Ziele verfolgten und darüber hinaus einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen könnten. Nach Art und Häufigkeit seien die Taten der mg dazu nicht geeignet, schob der 3. BGH-Strafsenat einer weitgefassten Terrorismusdefinition einen Riegel vor. Nicht jeder Revoluzzer, der aus politischen Motiven mit einem Molotow-Cocktail um sich wirft, ist gleich ein Terrorist.

Bei dem verhinderten Anschlag in Brandenburg konnten die an den Fahrzeugen angebrachten Zündvorrichtungen noch rechtzeitig entfernt werden. Die "militante gruppe" hat sich seit 2001 zu mehr als zwei Dutzend militanter Aktionen vor allem im Raum Berlin bekannt. Ein weiterer Haftbefehl gegen einen Berliner Soziologen, der aus Sicht der Bundesanwaltschaft die Bekennerschreiben verfasst hat, war vor schon vier Wochen vom BGH mangels dringenden Tatverdachts aufgehoben worden.

Die "militante gruppe" wird auch in der linken Szene wegen ihrer verquasten Erklärungen als "Kommunikationsguerilla" ironisiert, deren Mitglieder mit falschen Namen operierten, . In einem Szene-Blog wird mit Blick auf die "unglaublich dummen Leute" von der "mg" gemutmaßt, die Bundesanwaltschaft habe mit der Terrorkeule "vorsichtshalber mal eben auf den Busch geklopft" um zu schauen, "wer rausgehuscht kommt". Die Anklagebehörde selbst gibt sich angesichts der BGH-Entscheidung gelassen: Seit der Festnahme der drei Verdächtigen und dem Terrorismusvorwurf sei es zu keinen weiteren Brandanschlägen mehr gekommen. "So ein Schuss vor den Bug kann auch ganz heilsam wirken und gefährliche Entwicklungen stoppen", sagte einer der zuständigen Bundesanwälte. (APA/dpa)