Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus. Und von den Kammern. Letzterer Zusatz steht zwar künftig nicht ganz so in der österreichischen Bundesverfassung, allerdings wird der Kammerstaat darin zum Prinzip erhoben. Das wäre auch gar nicht so schlimm, näherte sich dadurch doch die Formal- an die Realverfassung an. Was allerdings zu denken gibt, sind die Hintergründe der Neuerung, die auch ziemlich unverblümt in die Erläuterungen geschrieben wurden. Es gehe um die "obligatorische Mitgliedschaft", heißt es dort. Heißt auf Deutsch: Zwangsmitgliedschaft. Die politisch klar zuordenbaren Einrichtungen Wirtschafts-, Landwirtschafts- und Arbeiterkammer können somit einer sicheren Zukunft entgegenblicken. Jeglicher Angriff auf die völlig unzeitgemäße Pflichtmitgliedschaft ist künftig zum Scheitern verurteilt. Für die Kammern heißt das Planungssicherheit, weil ihre Einnahmen langfristig gesichert sind. Ganz im Gegensatz etwa zum Gewerkschaftsbund, der von freiwilligen Beiträgen leben und seine Finanzen aus eigener Kraft in Ordnung bringen muss. Politische Schlagkraft kann aber nicht verordnet werden – auch nicht von der Verfassung. Im Gegenteil: Der neue Schutzzaun wird eher die Skeptiker stärken. Das gilt besonders auf europäischer Ebene. Dort wird die Zwangsmitgliedschaft gar nicht gerne gesehen, Brüssel setzt auf freiwillige Vertretung. Deshalb spielen Wirtschafts- und Arbeiterkammer in der EU die zweite Geige, während Industriellenvereinigung und Gewerkschaftsbund in wichtigen Gremien vertreten sind. In Österreich zählt das nicht. Rot-Schwarz und die Kammern sind wie kommunizierende Gefäße mit dem gemeinsamen Ziel der Machterhaltung. Ein Stück mehr Kammerstaat als Vorsorge für die Zeiten nach der großen Koalition. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.11.2007)