Innsbruck - Nach etwas mehr als einem Jahr sind im aufsehenerregenden Innsbrucker Finanzamtsprozess die Urteile verkündet worden. Das größte Tiroler Strafverfahren seit 1945 ging am Donnerstag mit fünf Schuld- und sechs Freisprüchen zu Ende. Angeklagt waren zehn Betriebsprüfer und ein Ex-Prokurist einer Steuerberatungskanzlei. Bei 20 Unternehmen sollen Abgaben vorsätzlich hinterzogen worden sein. Es geht um einen Schaden in der Höhe von 3,7 Millionen Euro.
Der frühere Kanzlei-Geschäftsführer und drei Finanzbeamte wurden von einem Schöffensenat des Innsbrucker Landesgerichts wegen Abgabenhinterziehung verurteilt. Die höchste Geldstrafe erhielt der inzwischen pensionierte Prokurist einer Steuerberatungsfirma mit 2,5 Millionen Euro. Zusätzlich wurde über den 71-Jährigen ein unbedingte Freiheitsstrafe von 20 Monaten verhängt. Die drei Finanzbeamten bekamen Geldstrafen von 170.000, 110.000 und 40.000 Euro. Ein Prüfer wurde wegen Missbrauchs der Amtsgewalt schuldig gesprochen. Er kassierte eine bedingte Haftstrafe von 18 Monaten und eine Geldstrafe von 16.200 Euro. Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Die bis dato unbescholtenen Angeklagten meldeten großteils Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Staatsanwalt Wilfried Siegele gab keine Erklärung ab. Die privatbeteiligte Republik Österreich wurde auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Das gesamte Verfahren - es hatte am 16. Oktober 2006 begonnen - war auf Antrag der Verteidiger hinter verschlossenen Türen im großen Schwurgerichtssaal abgewickelt worden. Die Urteile wurden allerdings unter regem Medieninteresse öffentlich verkündet. Der vorsitzende Richter Werner Urbaner hatte dabei auf die "enorme Beweisproblematik" - insbesondere bei der Frage der wissentlich unrichtigen Prüfungen - hingewiesen. Es gebe eine Reihe von Indizien. Die Verantwortung der Angeklagten sei aber nicht zu widerlegen gewesen. Vorsätzliche Abgabenverkürzungen wie Umbuchungen am Jahresende und unzählige weitere Positionen konnten nachgewiesen werden. "Besonders beim angeklagten Ex-Prokurist waren es letztlich massive Fälle, die bestätigt werden konnten. Er allein hat bei 20 Unternehmen die Republik mit rund 3,7 Millionen geschädigt", fasste Urbaner zusammen. Der Vorwurf des Netzwerkes sei schon im Zuge des Vorverfahrens abgeschwächt worden.
Kurz nach seinem Freispruch brach einer der mehrheitlich suspendierten Angeklagten zusammen. Der Aufforderung des Richters, den Rest des Urteils im Sitzen zu verfolgen, kam er jedoch nicht nach. Einige Verteidiger hoben nach dem Prozess gegenüber der APA die "Fairness des Gerichtes" hervor. Dieses habe "unbeeindruckt vom Druck der Medien und der Finanz couragiert geurteilt", meinte etwa ein Anwalt, dessen vier Mandanten verurteilt worden waren.
Bei dem Verfahren wurden rund 160 Zeugen einvernommen. Die Anklageschrift hat 280 Seiten. Der Aktenumfang beträgt rund 130.000 Seiten in 200 Bänden. Zu Beginn war in über 220 Fällen ermittelt worden, rund 60 Fälle wurden angeklagt. Im Oktober schränkte der Staatsanwalt die Anklage auf rund 35 Fälle ein.
In der Folge soll der Prozess gegen die mitangeklagten 16 Unternehmer wegen vorsätzlicher Abgabenhinterziehung stattfinden. Die zum Teil namhaften Angeklagten müssen bei einer Verurteilung mit hohen Geldstrafen rechnen.