Moskau - Ein Gericht in Moskau hat den im britischen Exil lebenden russischen Milliardär Boris Beresowski am Donnerstag in Abwesenheit zu sechs Jahren Haft verurteilt. Das Bezirksgericht sah es als erwiesen an, dass der Geschäftsmann in den 90er Jahren als Miteigentümer der russischen Fluglinie Aeroflot 215 Millionen Rubel (nach heutigem Kurs 6 Millionen Euro) veruntreute, wie russische Nachrichtenagenturen meldeten. Der Kritiker von Präsident Wladimir Putin wies die Vorwürfe zurück.

Straftaten

Beresowski erklärte, er werde aus politischen Gründen verfolgt. Beresowski nannte den Prozess in einem Interview mit Radio Moskau "eine Farce". Er betrachte die rund sechs Jahre in Großbritannien, in denen er wegen diverser Verfahren gegen ihn nicht in seine Heimat zurückkehren konnte, als Strafe, sagte er.

In Russland wird gegen Beresowski wegen einer Vielzahl von Straftaten ermittelt. So soll sich der Geschäftsmann 1997 bei der russischen Bank SBS Agro einen Kredit über 13 Millionen US-Dollar (9 Millionen Euro) zum Kauf eines Hauses an der französischen Mittelmeerküste erschlichen haben. Der Kreml-Kritiker wird nach Angaben seiner Anwälte auch beschuldigt, mit Hilfe seines Geldes einen Machtwechsel in Russland herbeiführen zu wollen.

Staatsunternehmen

Beresowskis Vermögen stammt aus umstrittenen Privatisierungsgeschäften von russischen Staatsunternehmen in den 90er Jahren. Er galt als Kreml-Insider, der Putin mit zur Macht verhalf, bevor beide zu Gegnern wurden. Moskau bemüht sich seit längerem um seine Auslieferung, die von London verweigert wird. Der bei Putin in Ungnade gefallene Beresowski genießt in Großbritannien Flüchtlingsstatus. "Nach dem Urteil haben wir nun wieder ein Argument, die Auslieferung Beresowskis zu verlangen", sagte Staatsanwalt Alexander Kubljakow. Er hatte auf neun Jahre Haft plädiert.

Die Kluft zwischen Beresowski und dem Kreml ist seit der Vergiftung des Kreml-Kritikers Alexander Litwinenko im vergangenen Jahr in London noch tiefer geworden. Beresowski hat Putin vorgeworfen, für Litwinenkos Tod verantwortlich zu sein. Aus Russland hieß es dagegen, die Tat gehe vielleicht auf das Konto Beresowskis, der damit den Kreml diskreditieren wolle. (APA/AP/dpa)