Versprochen war annähernd das Gegenteil, aber wenn die Koalitionsparteien schon dabei sind, sollten sie gleich Nägel mit Köpfen machen und sich selber in der Verfassung verankern. Das und die hellsichtig (in Kompanie mit den oppositionellen Nutznießern) schon beschlossene Verlängerung der Legislaturperiode auf fünf Jahre könnte endlich für jene Ruhe sorgen, die eine Regierung braucht, um mit den großen Anforderungen der Zeit, ruckzuck einer nach der anderen wie im letzten Jahr, fertig zu werden – vom Bürger möglichst ungestört, und unangefochten von den Einwendungen lästiger Juristen, die glauben, sich als Verteidiger des Rechtsstaates und schamloser Asylwerber aufspielen zu müssen. Aber dazu fehlt den Großparteien der Mut.
Höchst ausgereift
Wie ausgereift der Gedanke einer Kammererhebung in Verfassungsrang ist, geht schon daraus hervor, dass man ihn noch vor wenigen Wochen zurückgewiesen hat. Dass sich an der österreichischen Realität mit der Verankerung der Kammern im Grundgesetz äußerlich nichts ändert, täuscht so etwas interesseloses Wohlgefallen der Parteien an diesem Einfall aus Kreisen der Sozialpartnerschaft vor. Wie die Kammern besteht die Pflichtmitgliedschaft der jeweiligen Klientel bei denselben seit Jahrzehnten, und sie wäre auch ohne verfassungsmäßige Verankerung in den nächsten Jahrzehnten wohl nicht ernsthaft in Frage gestellt worden – nicht, solange SPÖ und ÖVP dieses Land im Griff haben. Aber bei der engen Verflechtung zwischen Kammer- und Parteifunktionären, Kämmerern und Parlamentariern, bei dem ständigen Austausch, der zwischen den beiden Sphären der politischen Kultur dieses Landes stattfindet (nicht immer zu deren Nachteil übrigens), ist es doch ein Trost zu wissen, dass man wenigstens in der einen davon den ehernen Schutz der Verfassung genießt, während man in den Parteien den Launen der Wählerschaft ausgesetzt bleibt.
Unverändert wird dennoch der quälende Zustand bleiben, dass Koalitionspartner, die in solch nebensächlichen Verfassungsfragen so trefflich harmonieren und ohne viel Federlesens bereit sind, Asylfragen – ohne Gewähr des angestrebten Erfolges – auf der Basis des Grundrechtsverständnisses eines Landgendarms zu regeln, sich auf anderen Politikfeldern so schwer miteinander tun. Erst dieser Tage sah sich Erwin Pröll genötigt, die Koalition „in Frage“ zu stellen – so zum Beispiel in den Salzburger Nachrichten, aber landtagswahlbedingt wieselt er mit dieser Schnurre seit einigen Wochen quer durch alle möglichen Medien.
Kontrastmittel