Viele werden das aus der eigenen Schulzeit oder von den eigenen Kindern kennen: Mit einem Dreier ist man schon zufrieden. Es hätte schlimmer sein können. So ist es auch mit der aktuellen Studie über die Leseleistungen der Volksschüler, in der Österreich im internationalen Vergleich mittelmäßig abgeschnitten hat. Nur mittelmäßig. Oder immerhin mittelmäßig. Mit einem Befriedigend kann man zufrieden sein. Oder auch nicht.

Den Anspruch, zu den guten Schülern oder gar zu den Vorzugsschülern zu gehören, wie das die Finnen sind, haben wir längst aufgegeben. Das Motto: Nur nicht sitzenbleiben. Wir üben uns im Mittelmaß. Das Vertrauen in das Schulsystem ist nicht nur durch die vorangegangenen Pisa-Ergebnisse massiv gesunken, es wurde durch die jüngste Schuldebatte, die SPÖ und ÖVP im Stile einer Pausenrauferei geführt haben, nachhaltig beschädigt.

Daran ändert auch die jüngste Pisa-Studie nichts: Österreich ist nicht so schlecht wie befürchtet. Im Haupttestgebiet Naturwissenschaften (die Ergebnisse zu Mathematik und Lesen werden nächste Woche veröffentlicht) landeten wir signifikant über dem OECD-Schnitt insgesamt auf Platz 18 oder auf Platz zwölf unter den OECD-Ländern. Hurra, wir sind nicht sitzengeblieben!

War Elisabeth Gehrer doch nicht so schlecht? Oder trägt die segensreiche Arbeit der neuen Bundesregierung auf wundersame Weise bereits rückwirkend ihre Früchte, dass Österreich sich im Pisa-Test wenigstens in einem Fach verbessern konnte? Die politische Debatte ist vorhersehbar: Die SPÖ wird sagen, das jüngste Pisa-Ergebnis ist keines, auf dem man sich ausruhen darf, wir brauchen die Gesamtschule. Die ÖVP wird sagen, es ist doch alles prächtig, wir brauchen keine Gesamtschule.

Die Gesamtschule ist weder Wohl noch Wehe, sie mag ein wesentlicher Mosaikstein auf dem Weg zu einem besseren Schulsystem sein. Und dieses bessere Schulsystem muss sich Österreich erarbeiten. Die Bundesregierung darf sich gerade in der Bildungspolitik nicht mit dem Mittelmaß begnügen. Das soll jetzt nicht pathetisch klingen, aber in der Bildung der Kinder und Jugendlichen liegt die Zukunft des Landes. Und seiner Menschen. Daher reicht es nicht, wenn sich die Regierung im Streit der Ideologien mit faulen Kompromissen zufriedengibt, die letztendlich auf das Mittelmaß, auf ein Befriedigend im Zeugnis abzielen.

Österreich muss sich an Finnland orientieren, wir sollten dem Klassenbesten nacheifern. Und ja, wenn man Finnland als Beispiel hernimmt, dann kommt man nicht daran vorbei, dass die Gesamtschule ein Thema ist. Aber nicht das einzige.

Auch über eine Form der Ganztagsschule wird man diskutieren müssen. Letztendlich muss eine vernünftige Bildungsdebatte über die Schulformen hinausführen. Die schlechten Lesewerte haben gezeigt, dass auch in den Volksschulen und davor anzusetzen ist. An einem verpflichtenden Vorschul- oder Kindergartenjahr wird kein Weg vorbeiführen. Womit wir bei einem eng damit verbundenen Thema sind: bei der Integration und dem Umgang mit Migranten und ihren Kindern.

Migranten sind Teil unserer Gesellschaft, als solche müssen sie vorbehaltlos akzeptiert werden. Ganz besonders in den Schulen. Die Lernschwächen der Migrantenkinder sind besonders auffällig, gerade in so elementaren Bereichen wie dem Lesen, also im Umgang mit der Sprache. Diese Kinder sind oder werden österreichische Staatsbürger, sie sind daher Zukunftspotenzial. Ohne Wenn und Aber.

Die Schwächen der Migranten sind die der Gesellschaft: Heruntergebrochen auf den Alltag, sieht man das in Schulklassen mit hohem Ausländeranteil. Da leiden alle daran. Hier kann nicht Ausgrenzung das Thema sein, hier muss Integration das Thema sein. Das nüchtern und ohne Panikmache zu diskutieren wäre Aufgabe der Politik. Sich die Pisa-Zahlen um die Ohren zu hauen und aus der Gesamtschule einen fundamentalideologischen Streit zu machen führt keinen Schritt weiter. (Michael Völker/DER STANDARD-Printausgabe, 30. November 2007)