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In einer Rede vor Polizisten distanzierte sich der Präsident ohne Wenn und Aber vom herrschenden Diskurs, laut dem die Gewaltexplosion nach dem Unfall zweier Jugendlicher nördlich von Paris soziale Hintergründe habe.

Foto: APA/EPA/STR FRANCE
Der Sarkozy-freie Tag wurde von einer „Vereinigung für Demokratie im Fernsehen“ aus linksgerichteten TV-Journalisten lanciert. Aber auch politisch unabhängige Medien wie die Zeitschrift Marianne schlossen sich an. Ihr Chefredakteur Jean-François Kahn meinte, es gehe um die Glaubwürdigkeit aller französischen Medien, denn offenbar sähen immer mehr Bürger in ihnen eine „Presse auf Befehl“, und das sei äußerst selbstzerstörerisch.

Der Vorwurf der Hofberichterstattung ist nicht neu in Paris, wo viele Ministerien und Redaktionen nicht nur geografisch nahe beieinander liegen. Laut Medienwissenschaftern dominiert Präsident Sarkozy die Nachrichten aber seit dem Wahlkampf und seiner Amtsübernahme stärker als all seine Vorgänger. Die Zeitung Libération, die im Wahlkampf für Sarkozys Gegnerin Ségolène Royal eingetreten war, bezeichnet Sarkozy als einen „ Chefredakteur, der jeden Morgen das Menü vorgibt und die Taktik verfolgt, ständig die Bühne zu besetzen“. Auch Journalistengewerkschaften kritisieren die Berichterstattung als „reine Öffentlichkeitsarbeit ohne Widerspruch“.

Präsident bestimmt die Schlagzeilen

An sich hätte sich der heutige Freitag für die eher originelle Operation geeignet: Die Pensionsstreiks sind vergangene Woche zu Ende gegangen, die jüngsten Banlieue-Krawalle am Abflauen. Ein Tag ohne präsidiale Stellungnahme oder TV-Bilder schien also im Bereich des Möglichen – doch es kam anders. Das heißt gleich wie bisher: Auch am Freitag bestimmt wieder der Präsident die nationalen Schlagzeilen.

Denn zum einen äußerte sich der Staatschef am Donnerstag zu den Krawallen, deren Beginn er zu seinem Leidwesen nur von seinem Staatsbesuch in China aus mitverfolgt hatte. Vor Polizisten distanzierte er sich ohne Wenn und Aber vom herrschenden Diskurs, laut dem die Gewaltexplosion nach dem Unfall zweier Jugendlicher nördlich von Paris soziale Hintergründe habe. „Was in Villiers-le-Bel passiert ist, hat nichts mit einer Gesellschaftskrise zu tun, sondern mit Gaunerherrschaft“, meinte Sarkozy, das Wort „voyous“ für Gauner benützend. Der Staat solle deshalb nicht mehr Geld in diese Vorstädte pumpen, sondern die Krawallmacher einsperren. Es gehe nicht an, „jeden Straftäter als Opfer der Gesellschaft hinzustellen“, führte Sarkozy vor den Gendarmen aus.

Sonntagsarbeit ausweiten

Am Abend wandte er sich an die gesamte Nation, als er in der Hauptausgabe der Tagesschau neue Maßnahmen zur Wirtschaftsankurbelung bekanntgab. Nach den Klagen vieler Franzosen über die sinkende Kaufkraft kündigte er an, er werde die 35-Stunden-Woche lockern, die Sonntagsarbeit ausweiten, den Einzelhandel liberalisieren und die Mietpreiserhöhungen besser kontrollieren. Die Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur stellen heute, Freitag, einmal mehr die Schlagzeilen der Pariser Presse dar. Vielleicht hat der Sarkozy-freie Tag nächstes Jahr mehr Erfolg. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, Printausgabe 30.11.2007)