"Der Grüne Berg bei Nacht", wird mit solch einem Bild bestimmt keine beliebte Ansichtskarte aus Wien. Für Öffi- Ausbau und mehr Radverkehr plädieren VP und Grüne. Die Stadt bemüht sich.

Foto: Standard/Christian Fischer
In den letzten 16 Jahren stieg der Anteil der Kraftfahrzeuge in Wien um 20 Prozent. Durch den Straßenausbau in den Stadtentwicklungsgebieten steigt der Verkehr weiter an

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Wenn sich zu den Stoßzeiten der Verkehr auf Wiens Straßen schoppt, ist schon der friedliebendste Mensch einmal zum Berserker mutiert. Die Stadt wächst und mit ihr auch der Verkehr - diese Szenen werden sich also wiederholen, egal, ob der Berserker ein Fußgänger, Radfahrer, Öffi-Benützer oder Autofahrer ist.

Die Anzahl der Kfz stieg von 1990 bis 2006 um 20 Pro- zent, nämlich von 546.945 auf 799.748 Stück. Die Anzahl der Pkws nahm um 15 Prozent zu. Doch immerhin sind circa sechs Prozent aller Wiener mit dem Fahrrad unterwegs. Verglichen mit Amsterdam, der fahrradfreundlichsten Stadt der Welt, ist Wien hier der Verlierer. In Amsterdam sind 40 Prozent des Verkehrsaufkommens auf Radfahrer zurückzuführen.

Eine Studie des Marktforschungsinstituts Makam zur Beurteilung des privaten und öffentlichen Verkehrs in Wien 2007 ergab, dass fast jeder zweite Wiener mit den Öffis zur Arbeit fährt, in seiner Freizeit aber lieber mit dem Auto unterwegs ist. Gleichzeitig findet jeder Zweite die Tariferhöhung bei den Wiener Linien unnötig, hätten sich doch die Leistungen nicht geändert, monierten die Befragten.

Wie kommt es eigentlich zum Stau? Verkehrsstadtrat Rudi Schicker (SPÖ) führt das auf die außerordentlich hohe Zahl der Baustellen zurück, die jene Mängel ausbessern, die im EURO-Jahr 2008 nicht mehr Thema sein sollen. "Was in Wien als Stau empfunden wird, ist in Städten wie Paris oder London nichts", sagt Paul Pfaffenbichler, Verkehrsexperte an der Technischen Universität Wien.

Fläche für Ineffiziente

Die Verkehrsprobleme sieht Pfaffenbichler eher durch den Ausbau der Straßen verursacht, etwa durch die A23 (Südosttangente) und die S1 (Wiener Außenring). "In der Vergangenheit hat man gesehen, dass der hochrangige Straßenausbau den Stau nicht verringern konnte, sondern den Stau auf gleicher Höhe, aber mit viel größeren Verkehrsstärken produziert hat", sagte Pfaffenbichler. Die logische Erklärung: "Wenn ich mehr Infrastruktur anbiete, fahren auch mehr Leute mit dem Auto." Mit der Fertigstellung des Lobau-Tunnels als Verlängerung der S1 - dem Regionenring - soll der Durchzugsverkehr aus dem Stadtgebiet abgezogen werden, sagt Angelika Winkler, Leiterin des Referats Verkehrsplanung der MA 18 (Stadtentwicklung und -planung). Will die Stadt das Ziel des Masterplans Verkehr von 2003 erreichen und den Anteil des motorisierten Individualverkehrs bis 2020 von 35 auf 25 Prozent reduzieren, ist jeglicher Ausbau demnach kontraproduktiv. Neue Garagenbauten sollen laut MA 18 Platz an der Oberfläche schaffen - für Kinderspielplätze zum Beispiel. Verkehrsexperte Pfaffenbichler: "Marktwirtschaftlich ist das ohnehin nicht erklärbar, dass jene, die am ineffizientesten mit der Fläche umgehen, am meisten davon bekommen." Für eines sind die Kurzparkzonen aber gut: Sie ersetzen die City-Maut, die unter anderem von den Wiener Grünen gefordert wird.

Wunschlos glücklich ist die Rathausopposition trotz des Masterplans Verkehr, der gerade auf seine planmäßige Durchführung hin evaluiert wird, nicht. Sowohl die Volkspartei als auch die Grünen plädieren in ihren Verkehrskonzepten für den Ausbau der Öffis und des Radverkehrs. Seitens der Stadt heißt es, in Wien gebe es 1056 Kilometer Radwege. Doch ein Kontrollamtsbericht zeigte auf, dass 59 Prozent davon keine sind, sondern verkehrsberuhigte Zonen oder Radrouten (Straßen mit grünen Hinweisschildern). Der FPÖ geht der U-Bahn-Ausbau zu langsam voran. Außerdem sei er zu teuer. In einzelnen, besonders verkehrsgebeutelten Grätzeln regt sich Unmut: Kürzlich setzten sich Vertreter der Donaufelder SPÖ mit Anrainern an einen Tisch, um das Problem Autoverkehr zu diskutieren. "Die Öffis verhungern", kritisierte Heinrich Berger, Sprecher der Initiative Donaufeld. "Seit Jahren sind wir Stadtentwicklungsgebiet, doch wir haben nur eine Straßenbahnlinie, die Linie 26." Wegen Geldknappheit seien keine neuen Öffis gekommen. "Und der 26er steht selbst im Stau." (Marijana Miljkovic, DER STANDARD - Printausgabe, 30. November 2007)