Von links: Evans, Julius, Borcus und Esther auf dem Anchor-Gelände in Mukuru, Nairobi.

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Der Fotograf Pep Bonet begleitete den Alltag von Aids-Patienten in Aidsprogrammen von Ärzte ohne Grenzen in Afrika. Er zeigt in seinen Fotos, die ab Samstag in einer Ausstellung im Wiener Semperdepot zu sehen sind, wie sie mit der Krankheit leben und an ihr sterben. Im Bild ein Mann aus Äthiopien, der auch an der tödlichen Tropenkrankheit Kala Azar leidet. Weitere Informationen und Bilder

Foto: Pep Bonet
Wie geht's? Evans senkt den Blick zu Boden. "Nicht so gut", sagt er. Evans hat keine Eltern mehr. Mit seinen drei Geschwistern lebt er bei der Großmutter in Mukuru, dem trostlosesten Slum von Nairobi. 60.000 Menschen hausen dort. Auf einer notdürftig zugeschütteten ehemaligen Mülldeponie. Wellblechhütten und schlammige Straßen; verwitterte Werbeschilder künden von einem guten Leben in einer reichen - und unerreichbaren - Welt.

"Ich will Pilot werden"

Die neunjährige Esther hat Evans (11) für die Besucher hergeholt, gleich nach Julius (7) und Borcus (5). Ihr großer Bruder soll für die ganze Familie sprechen. Also sagt Evans: "Nicht so gut." Mehr mag er nicht über seine Familie erzählen. Er redet lieber über seine Zukunft: "Ich will Pilot werden. Jetzt bin ich ein Turner, ein Akrobat." Auch dafür ist Platz in Mukuru.

1200 Waisenkinder kommen tagsüber

Diesen Platz schafft Anchor (African Network for Children Orphaned and at Risk), ein Programm der Coca-Cola Africa Foundation. Der Getränkehersteller unterstützt eine amerikanische NGO, die sich um die Kinder von Mukuru kümmert. 1200 Kids kommen tagsüber auf ein von Anchor gesponsortes Gelände zum Malen, Tanzen, Singen, Fußballspielen und Turnen.

Evans springt hier über einen alten Traktorreifen und macht Rollen in der Luft. Esther singt, Julius und Borcus zeichnen. Nicht so gut? Hier im Mukuru Kids Club geht es ihnen gut, zusammen mit hunderten anderen (Aids-)Waisen.

Fünf Neuinfektionen pro Stunde

"Aids ist immer noch eine der größten Epidemien im subsaharischen Afrika. Und die Kinder leiden am meisten darunter", sagt Francis Mo vom National Aids Council in Nairobi. Zweieinhalb Millionen Menschen seien bisher allein in Kenia an der Krankheit gestorben. Obwohl die Neuinfektionsraten drastisch gesunken seien, habe es 2006 noch immer 55.000 neue Fälle gegeben. "Wir haben noch immer fünf bis sechs Neuinfektionen pro Stunde, das ist inakzeptabel", erklärt der Arzt.

Hotspots an der Straße

Seine Behörde versuche aufzuklären, in die Netzwerke der Promiskuität einzugreifen, die Männer in die Verantwortung zu nehmen. "Aber bisher war deren Kooperation nicht so stark, wie wir gehofft hatten. Insbesondere an den Hotspots, den Raststätten der Lkw-Fahrer an der Fernstraße zwischen Mombasa und dem Kongo, breitet sich die Seuche weiter rasend aus."

Aber auch die Zahl der Patienten, die mit antiretroviralen Medikamenten behandelt werden, steigt laut Mo stetig. Anfang 2007 waren es 180.000 von 1,2 Millionen HIV-infizierten Kenianern. Dennoch stürben noch immer 85.000 Menschen jährlich an Aids, zehntausende Kinder blieben als Halb- oder Vollwaisen zurück.

Wachstum bis 2025

"Das Problem mit Waisen wächst massiv und langfristig, mindestens bis ins Jahr 2025", sagt Malinda Wheeler von Anchor in Mukuru. Weniger als fünf Prozent der Kinder bekämen irgendeine Art von Unterstützung. Ihre Organisation versorge mehr als 150.000 Waisen in ganz Afrika. "Wir sorgen für Schutz. Wir helfen, dass sie in ihren Gemeinden leben können, ohne diskriminiert zu werden. Wir wollen zeigen: Aids ist eine Krankheit, aber nicht das Ende der Welt", beschwört die Amerikanerin jeden ihrer Gesprächspartner.

Es geht nicht nur um Aids

Ähnlich argumentiert Steve Leroy, der Kommunikationsdirektor von Coca-Cola Europa: "In Afrika geht es nicht nur um Aids. Es ist ein lebendiger Kontinent. Wir müssen diesen Albtraum beenden." Er ist schon lang genug in seinem Geschäft.

Vorwürfe an Coca-Cola

Er kennt die Vorwürfe, die üblicherweise kommen: Coca-Cola wolle PR-Kapital aus dem Elend der Menschen schlagen. Oder das Unternehmen sei nur darauf aus, dass ihm Mitarbeiter und Konsumenten nicht wegstürben. Deswegen entschuldigt sich Leroy fast, dass die Coca-Cola Africa Foundation einige Millionen Dollar in solche Projekte investiert. (Christoph Prantner aus Nairobi, STANDARD, Printausgabe, 30.11.2007)