Gmunden – Die Erleichterung war den Betroffenen ins Gesicht geschrieben. Nach Tagen der Ungewissheit, ob ihre Häuser am Ostufer des Traunsees von den rund 500.000 Kubikmetern Geröll, die sich derzeit durch den "Gschliefgraben" bewegen, zerstört werden, keimte am Dienstagabend bei den rund 70 Anrainern erstmals wieder so etwas wie Hoffnung auf.
Der Gmundner Bürgermeister Heinz Köppl (ÖVP) hatte gemeinsam mit einem Geologen-Team zu einer Krisensitzung in die Einsatzzentrale der örtlichen Feuerwehr geladen. Und man zeigte sich vorsichtig optimistisch. "Wir waren schon ganz am Boden, aber jetzt geht es ein bisschen aufwärts, und wir können durchatmen", zeigte sich Köppl erleichtert.
Kantenbruch zu 90 Prozent auszuschließen
Grund dafür sei vor allem, dass die Video-Beobachtungen am Schwemmkegel im Traunsee keine Risse gezeigt hätten. "Im Straßenbereich kann man daher zu 90 Prozent ausschließen, dass es zu einem Kantenbruch kommt", präzisierte Landesgeologe Wolfgang Landrichter. Bürgermeister Köppl hob daraufhin noch am Abend die Sperre der Traunsteinstraße in dem betroffenen Gebiet auf.
Deutlich weniger entspannt stellt sich die Situation derzeit noch im Mittelbereich des "Gschliefgrabens" dar. "Die Entspannung sehe ich da noch nicht im großen Stil. Status quo ist nach wie vor eine sehr ernste, angespannte Lage", schilderte Geologe Michael Schiffer die Situation. Jetzt wird versucht, dem "Gschliefgraben" das Gewicht zu nehmen. "Wenn der Druck weg ist, kommt es zu einer Entlastung und der Hang schiebt nicht mehr nach unten", so Schiffer.
Bereits am Dienstag wurden große Teile des Waldes gerodet und weitere Wasserableitungsgräben geschaffen. "Zusätzlich wird überlegt, Geröll direkt aus dem Rutschhang abzutragen", so der Geologe.
Ein, zwei Tage warten
Ergebnisse zu den insgesamt vier Tiefenbohrungen erwarten die Experten erst in den kommenden Tagen. "Wir waren an der Oberfläche mit unserem Latein am Ende, daher müssen wir jetzt ganz genau schauen, wie es in der Tiefe aussieht", sagte Schiffer.
Aufrecht bleibt derzeit noch die Evakuierung der Häuser. "Lasst uns noch ein, zwei Tage warten und uns dann mit den neuen Zahlen zusammensetzten. Es ist zu eurer Sicherheit", riet der Gmunder Bürgermeister den Betroffenen.
Doch so recht wollte der Experten-Optimismus nicht aufs Publikum überspringen. "Na wenn das nur gut geht. Die reden sich halt leicht, die verlieren ja im Ernstfall auch nicht ihr Eigenheim", war ein Anrainer im Gespräch mit dem Standard verzweifelt.
An ein "Worst Case"-Szenario will in Gmunden aber noch keiner denken. "Wir haben eine positive Lebenseinstellung und denken nicht schon jetzt daran, was im schlimmsten Fall sein könnte", meinte Bürgermeister Köppl.
Für Ernstfall gerüstet
Hinter den Kulissen wappnet man sich aber sehr wohl für den Ernstfall. Oberösterreichs Katastrophenschutz-Landesrat Josef Stockinger (ÖVP) machte sich am Montag ein Bild von der Naturgewalt am Gmundner Hausberg und versprach den Anrainern im Ernstfall die Hilfe des Landes.
Allerdings drängt sich mehr und mehr die Frage auf, warum in dem Gefahrengebiet Häuser stehen, wo doch der permanent bewegungsfreudige "Gschliefgraben" für Geologen ein alter Bekannter ist. "Es handelt sich um ein historisches Wohngebiet. Vor 100 Jahren hat man das freilich noch anders gesehen", rechtfertigte Köppl die Bebauung.
Seitdem es den Gefahrenzonenplan gibt – dieser sei erst in den 1970er-Jahren erstellt und in den 80ern umgesetzt worden –, habe man, mit einer Ausnahme, in dem "roten Bereich" nur mehr Sanierungen durchgeführt. Das Ausmaß der gefährdeten Zone sei aber "nicht in seiner ganzen Breite erkannt worden", gestand Köppl ein.
Risse im Mauerwerk
Doch den "Unterliegern" dürfte die Gefahr bewusst gewesen sein: "Natürlich haben wir gewusst, worauf unser Haus steht. Wir haben auch anhand von kleinen Rissen im Mauerwerk gemerkt, dass sich der Hang manchmal rührt. Aber mit dem jetzigen Elend hat doch wirklich keiner rechnen können", sagte ein betroffener Anrainer unter Tränen.