Warschau - Die Spannungen zwischen der polnischen Regierung und Staatspräsident Lech Kaczynski wachsen weiter. Dass Außenminister Radoslaw Sikorski (parteilos) am Donnerstag nicht zu einem Treffen mit Kaczynski erschien, nahmen Vertreter des Präsidenten und der rechtskonservativen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), aus der Lech Kaczynski stammt, zum Anlass für heftige Attacken.

"Das ist einfach unvorstellbar, Sikorski sollte seinen Platz in der Hierarchie kennen", sagte Ex-Außenministerin Anna Fotyga, die seit kurzem die Präsidentenkanzlei leitet, am Freitag im polnischen Radio. Nach Ansicht von Fotyga handle es sich um eine "Provokation" von Seiten der Regierung. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Präsident ein weiteres Treffen mit Herrn Sikorski vorschlägt", sagte der Staatssekretär in der Präsidentenkanzlei, Michal Kaminski, schon am Donnerstag. Kaminski ließ offen, ob Lech Kaczynski eine Entschuldigung erwartet.

Bitte um "Mäßigung"

Den Gesprächstermin zwischen Präsident und Außenminister am Donnerstag hatte die Präsidentenkanzlei am Mittwochnachmittag vorgeschlagen. Die Absage des Außenministers sei erst eingetroffen, als der Termin schon sei fünf Minuten verstrichen war, so die Kanzlei. Dies bestreitet Sikorski. Sein Sekretariat habe zunächst dreimal telefonisch und dann einmal schriftlich um eine Verlegung des Termins gebeten. "Ich bitte um Mäßigung", kommentierte er die Vorwürfe. Sikorski gab an, er habe am Donnerstag nach seiner Rückkehr aus den USA an einer wichtigen Kabinettssitzung zum Budget teilnehmen müssen.

Präsident Lech Kaczynski ist schon seit Tagen erbost über die Außenpolitik der neuen Regierung, die von der rechtsliberalen Bürgerplattform (PO) und der gemäßigten Bauernpartei PSL getragen wird. Denn die Regierung kündigte wichtige Weichenstellungen ohne Rücksprache mit Lech Kaczynski an - so den Rückzug der polnischen Truppen aus dem Irak bereits im Sommer 2008.

Öl ins Feuer

Öl ins Feuer goss die Entscheidung des Kabinetts vom Donnerstag, das Budget der Präsidentenkanzlei im kommenden Jahr gegenüber dem Haushaltsentwurf der Vorgängerregierung um zwei Mio. Zloty (550.000 Euro) zu kürzen. "Jedes Ressort muss Einsparungen hinnehmen", begründete dies Innenminister Grzegorz Schetyna (PO) gegenüber dem Fernsehsender TVN24.

Die schärfsten Worte gegen die neue Regierung fand indes der Ex-Premier und Zwillingsbruder des Präsidenten, Jaroslaw Kaczynski (PiS). Bei einer Pressekonferenz am Freitag sprach er von "politischen Säuberungen", weil die PO sofort nach der Regierungsübernahme 14 von 16 Direktoren in der Sozialversicherungs-Behörde ZUS ausgewechselt hatte. (APA)