Salzburg/Berlin - "Inkorrekt und schamlos", ein "politischer Skandal" - die deutsche Kultusministerkonferenz äußerte in den letzten Tagen heftige Kritik an "Mister Pisa" Andreas Schleicher. Der Deutsche leitet in Paris die OECD-Abteilung für Indikatoren und Analysen in der Direktion Bildung und ist nicht nur der Erfinder der internationalen Bildungsstudie, sondern auch ein ausgesprochener Kritiker des deutschen Schulsystems.

Bereits am Mittwochabend - kurz nach dem Durchsickern der ersten Ergebnisse, die eine spanische Lehrerzeitung veröffentlicht hatte - erklärte Schleicher in der deutschen Tagesschau, die jüngsten Pisa-Ergebnisse brächten für Deutschland keine Verbesserung, weil die Tests 2003 und 2006 wegen ihres unterschiedlichen Schwerpunktes nicht vergleichbar seien. Das jüngste Testverfahren habe bestimmte Stärken von deutschen Schülern begünstigt, meinte Schleicher. Deutschland liegt im bereits bekannten Naturwissenschafts-Ranking 2006 auf Platz 13, beim Mathematik-Ranking 2003 war es noch Platz 18.

Schleichers Kommentar nehmen die deutschen Kultusminister nun zum Anlass, um dessen Rauswurf aus der OECD zu fordern. Dort will man davon freilich nichts wissen, das sei "absoluter Unsinn", sagte Matthias Rumpf, Pressesprecher des OECD Berlin Centre, am Freitag zum Standard. Schleicher habe die Zahlen, die ohnehin schon durchgesickert waren, lediglich eingeordnet, aber keine weiteren Informationen preisgegeben.

Von der OECD gab es bereits mehrere Präsentationen des Pisa-Ergebnisses, unter anderem für die nationalen Botschafter oder die Mitglieder des Pisa-Boards - alle natürlich belegt mit einer strengen Sperrfrist, erklärt Rumpf. Wie die Ergebnisse in Spanien an die Öffentlichkeit gedrungen seien, dafür hat man in Berlin keine Erklärung.

In Österreich hütet das Projektzentrum für Vergleichende Bildungsforschung (ZVB) in Salzburg das große Pisa-Geheimnis. Dort hat man auch nicht vor, es vor Ende der Sperrfrist am kommenden Dienstag, 10 Uhr, zu lüften. "Wir sperren am Abend alles ein, wenn wir das Büro verlassen", erklärte die Projektleiterin Ursula Schwantner dem Standard. Die OECD hat für die nationalen Zentren auch Sanktionen parat: Wenn ein Land vorsätzlich Ergebnisse früher veröffentlicht, wird damit gedroht, dass es beim nächsten Pisa-Zyklus die Ergebnisse erst nach der offiziellen Präsentation bekommt. Und das würde die Aufbereitung der Daten erheblich verzögern.

15 Personen arbeiten am Salzburger ZVB. Sie kennen das gesamte Pisa-Ergebnis schon, sonst sollte das niemand in Österreich von sich behaupten können - noch nicht einmal Unterrichtsministerin Claudia Schmied. (Andrea Heigl/DER STANDARD-Printausgabe, 1./2. Dezember 2007)