In der Secession öffnete man die Zwischendecke und ermöglicht so hoffnungsvolle Blicke gen Himmel.

Foto: Secession/Hejduk
Auch mittels eines architektonischen Eingriffes führt das Künstlerduo Strategien der Repräsentation vor und gewährt Blicke auf bisher Ausgeblendetes.


Wien - Es muss am Blickwinkel liegen! Denn wem ist jemals im TV aufgefallen, wie beschwingt und rhythmisch, selbstverständlich trotzdem überaus staatsmännisch, George W. Bush zu Marschgetöse über rote Teppiche schreiten kann? Fast wirkt es so, als beleidige ihn bei seinem 19-Stunden-Blitz-Besuch 2002 in Berlin, das im Vergleich legere, ein bisschen schlaksige Gehen des inzwischen verstorbenen deutschen Bundespräsidenten Johannes Rau.

Es ist ein Blickwinkel, der gegenüber dem journalistischen etwas verschoben ist, der knapp am Geschehnis vorbeizielt, der Nebenschauplätze und Nebendarsteller wie Bodyguards und "weiße Mäuse" fokussiert, auch wenn die so geworfenen Seitenblicke von zwei für den Besuch des US-Präsidenten akkreditierten Journalisten stammen:

Für das in Bremen und Berlin arbeitende Duo Korpys/Löffler (Andree Korpys, und Markus Löffler) ist das eine künstlerische Praxis auf dem Weg, womöglich einmal eine Antwort auf die Frage zu finden, wie Wirklichkeit in medial vermittelten Bildern konstruiert und inszeniert wird. Eine Technik, die Gunter Reski im Katalog mit den Ausdrücken "experimenteller Autorenfilm", "Borderline-Journalismus" und "Dokumentationspoesie" zu fassen sucht.

Charme einer Baustelle

In der beschriebenen Arbeit (Nuclear Football, 2004) sorgt eine Hintergrundinformationen flüsternde Stimme zusätzlich für einen verschwörerischen, in ihrer Unwirklichkeit aber auch fiktionalen Charakter. Auch auf einen weiteren Nebenschauplatz richtet das Duo in der aktuellen Ausstellung den Blick: Betritt man den Hauptraum der Secession, findet man sich in einem, durch die offenliegende Konstruktion den Charme einer Baustelle imitierenden, langen, lichten Gang, dessen Dimensionierung es geradezu provoziert, den Blick himmelwärts gen Decke zu richten.

Und dort entdeckt man eben keine Decke, sondern das nun freigelegte Innenleben der gläsernen, dreiteiligen Giebeldachkonstruktion. Wen dann noch leicht fröstelt, fühlt sich erst recht an die lichte Kühle einer Kirche erinnert. Ein klassischer Kirchenaufriss, ein Haupt-, zwei niedrigere, oft ohne eigene Durchfensterung ausgestattete Nebenschiffe ...

Betritt man diese, taucht man aber - licht- und stimmungsmäßig bedingt - eher in das Unterdeck eines Galeerenschiffs ein. Räume mit der "Aura einer Lagerhalle, wo Abgestelltes gezeigt wird", beschreibt Secessions-Präsidentin Barbara Holub den Ort. - Wie man es auch deuten mag, Korpys/ Löffler öffnen passend zur filmischen Technik in ihrem architektonischen Eingriff Strukturen und Fassaden und hinterfragen Repräsentationsmodelle der Macht.

Mysteriöse Absichten

Die sechs filmischen Stationen widmen sich neben dem Berlin-Besuch George W. Bushs unter anderem den USSchaltzentren der Macht wie dem inzwischen zerstörten World Trade Center, den United Nations und dem Pentagon (alle 1997). Die mittels Super-8-Kamera aufgenommen Bilder geben nie alle ihre Rätsel preis, scheinen jedoch von mysteriöser Absicht getrieben.

Die Protagonisten eines anderen Films sind jene, denen man die wahre Macht auf diesem Planeten nachsagt: die Insekten. Statt sich auf das Hauptgeschehen der Proteste beim G8-Gipfeltreffen 2007 in Heiligendamm zu konzentrieren, zeigen uns Korpys/Löffler Regenwürmer und Käfer etwa im Wechsel mit zur La-Hola emporgerissenen Händen von Demonstranten.

"Andeutung geht vor Bedeutung" heißt es im Katalog zu ihrer stets am aktuellen politischen Zeitgeschehen orientierten Arbeit. Interessante Impulse statt besserwisserische Posen. Gut. (Anne Katrin Feßler /DER STANDARD, Printausgabe, 1./2.12.2007)