Bremen - Der britische Historiker Tony Judt ist am Freitagabend mit dem Bremer "Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken 2007" ausgezeichnet worden. Die Jury würdigte damit Judts Engagement in der öffentlichen Debatte über Europa und den Westen. Judt frage nach einem Europa der Vielfalt und nicht nach einem Europa der Einheit, hieß es in der Begründung. Ähnlich wie die bisherigen Preisträger habe Judt sich gegen Widerstände das politische Denken nicht verbieten lassen. Er teile mit Hannah Arendt den Konflikt um die Frage, wie und wo Juden nach dem Holocaust weiterleben können.

Der mit 7.500 Euro dotierte Preis erinnert an die aus Hannover stammende deutsch-jüdische Denkerin und Publizistin Hannah Arendt (1906-1975). Sie musste 1933 aus Deutschland fliehen. Später arbeitete sie als Professorin in den USA. International bekannt wurde sie unter anderem mit einem Buch über den Totalitarismus.

In seiner Dankesrede erinnerte Judt an die "historische Einzigartigkeit des Holocaust". Die Bezugnahme darauf bei aktuellen Vorkommnissen habe jedoch junge Menschen verwirrt. Der ständige Hinweis auf Antisemitismus, wenn jemand Israel angreife oder die Palästinenser verteidige, ziehe Zyniker an. Tatsächlich sei Israel heute nicht in existenzieller Gefahr: "Juden im Westen seien keinen Bedrohungen oder Vorurteilen ausgesetzt, die im Entferntesten mit den damaligen vergleichbar wären - oder vergleichbar mit den Vorurteilen gegen andere Menschen.".

Judt studierte Geschichte in Cambridge. Der Essayist und Hochschullehrer leitet derzeit das Remarque-Institut an der Universität von New York. Er gilt als scharfer Kritiker von US-Präsident George Bush und der Politik Israels gegenüber den Palästinensern.

Der "Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken" wurde 1994 von Publizisten, Politikern und Wissenschaftlern in Bremen ins Leben gerufen. Er wird von der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Land Bremen gestiftet. Preisträgerin 2006 war die französische Philosophin, Psychoanalytikerin und Schriftstellerin Julia Kristeva. (APA/ dpa)