Ischgl - Glück gehört eben zum Geschäft. Etwa dann, wenn man im Frühjahr eine Musikerin bucht - und die dann bis zum 1. Dezember, dem Auftritt, drei MTV-Awards abräumt. Da wird aus dem Star ein Superstar - und wenn Rihanna, die amtierende Königin der R-'n'-B-Szene - heute, Samstag, Abend in Ischgl die Saison einsingt, hat Andreas Steibl, der Geschäftsführer des Ischgler Tourismusverbandes, gut lachen: Das mediale Begleitkonzert würde sogar Rihannas kolportierte Gage (480.000 Euro) rechtfertigen. Obwohl Ischgl "viel weniger bezahlt. Würden wir Rihanna heute buchen, wäre das aber realistisch." Die im Frühjahr vereinbarte Gage ist geheim, dürfte aber etwas unter 200.000 Euro liegen.

Hätte man im 1400-Seelen-Örtchen im Paznauntal diese Summe vor 150 Jahren genannt, wären die Einwohner in Ohnmacht gefallen. Denn der im 10. Jahrhundert als "Yscla" ("Insel") gegründete Ort, der heute als "das Ibiza der Alpen" firmiert, war da völlig verarmt: Die Kinder schickte man als De-facto-Sklaven fort ("Schwabenkinder"). Außer Schmuggel aus der Schweiz gab es kaum "Wertschöpfung".

"Vollgas-Destination"

Erst als 1964 die erste Seilbahn gebaut wurde, begann der Tourismus. Doch als "Vollgasdestination" platzierte sich Ischgl erst Ende der 80er. Steibl: "Das war eine strategische Überlegung: Wir sprechen Gäste an, die gern feiern. Menschen für die Marken wichtig sind." Zu erzählen, neben Paris Hilton Dosen-Prosecco getrunken zu haben, sei "touristischer Exhibitionismus - das ist positiv besetzt".

Auch wenn Ischgl mittlerweile oft für negativ besetzten Ramabazamba-Eventtourismus steht, sieht man das vor Ort positiv: "Wer Ruhe oder Wellness sucht, wird woanders glücklich, wir sind die Lifestylemetrople der Alpen." Und übertrieben sei dieser Terminus nicht: "Hier kommen 1500 Einwohner, 4000 Saisoniers, 11.000 Gäste und 3000 Tagesgäste auf einer Strecke von 800 Metern zusammen - im Stubaital verteilt sich das auf 24 Kilometer: Wiens Kärntnerstraße ist vergleichsweise unbelebt", erklärt Steibl, was "Stimmung per Verdichtung" heißt.

All das fordert natürlich auch seinen Preis: "Ischgl lebt ein halbes Jahr zu 100 Prozent von und zu 120 Prozent für den Tourismus. Das ist ein totales Commitment. Das weiß hier jeder." Und am Ende der Saison, so Steibl, sei man dann tatsächlich reif für die Insel. Eher nicht für Ibiza. (Thomas Rottenberg, DER STANDARD Printausgabe, 1.12.2007)