Den echten Wiener (egal ob Frau oder Mann) erkennt man schwer, denn man erkennt ihn erst, wenn er redet, und er redet erst, wenn er nicht gefragt ist, und da redet er auch nicht mit jedem, außer er ist Taxifahrer. Wer den echten Wiener verstehen will, sollte ihm daher zuhören, und zwar möglichst bald, denn die wienerische Mundart, der einst breiteste Dialekt Österreichs, stirbt aus, weil Wiener Kinder Sprechen nur noch vom Hörensagen und aus dem Fernsehen kennen.

Zuhören, wenn der Wiener redet, allein reicht aber nicht aus, um ihn zu verstehen. Um ein Gefühl für ihn, seine Zugänge und Weltanschauungen zu bekommen, sollte man schon ungefähr wissen, was er meinen könnte, wenn er etwas sagt.

Als Wiener, der seine ersten 20 Lebensjahre in Favoriten verbracht hat, fühle ich mich in der Lage, die gebräuchlichsten Wortspenden anzuführen und ein paar Übersetzungshilfen und Verhaltensregeln für Nichtwiener anzubieten.

I: Verständnis

Vastehst? - Frage nach dem Verständnis im Gespräch mit einem Nichtwiener, einem Wiener Bekannten oder einem Wiener Unbekannten aus den nördlichen, südlichen und östlichen Bezirken.

Vastengans? - Frage nach dem Verständnis im Gespräch mit einem Wiener Unbekannten aus den westlichen oder innerstädtischen Bezirken.

Waßt wos? - Am besten, Sie nicken und lassen es über sich ergehen.

Huach zua. - Siehe "Waßt wos".

Host mi? - Kannst du mir geistig folgen?

Host eam? - Kannst du meinem Gedankengang geistig folgen? (Umgangssprachlich: Frage nach dem Erfolg beim Nasenbohren.)

Foigendes. - Warten Sie es ruhig ab, es kommt verlässlich.

Tschuidigen. - Nützen Sie die Gelegenheit, die erste ist auf gut Wienerisch zumeist die letzte Entschuldigung.

II: Soziales

I bin ka Sammarita. - Es liegt nicht an ihm zu helfen. Er hat es nämlich auch nicht leicht gehabt im Leben.

Wer spen't mir wos? - Gegenfrage auf die Frage, warum der Wiener nicht spendet.

Do konn a jeda kumman. - Gibt man einem etwas, wollen alle anderen auch etwas, also kriegt keiner etwas, dann kriegt jeder gleich viel.

Die moch'n eh, wos woin. - Definition für "Politiker".

Mir san net bei die Zigeina. - Es könnte einmal aufgeräumt werden.

Mir san net bei die Hottentotten. - Politisch korrekter für: Es könnte einmal aufgeräumt werden.

Du waßt, von mir konnst ollas hom. - Den Zeitpunkt dafür behält sich der Wiener allerdings oft ein Leben lang vor.

III. Begrüßungen, Verabschiedungen

Tag zu wünschen. - Jemand aus Wien wünscht Ihnen einen angenehmen Tag.

Dere. - Jemandem aus Wien ist es eine Ehre, Ihnen einen angenehmen Tag zu wünschen. (Oft auch: Auf Wiedersehen. Manchmal auch: tschüs!)

Schleich di. - Wie "Dere", nur derber und ohne Ehre.

Geh schleich di. - Erzähle mir keine Lügengeschichte, verarsche mich nicht.

Sers. - "Hallo", "Servas", _"Pfiat di" und "Baba" für Jugendliche zwischen 15 und 25.

Grüß dich. - Der Wiener verhöhnt einen Schriftdeutschsprechenden.

IV. Bedrohliches

Wüst a Possbüdl vo mia? - Der Wiener fühlt sich beobachtet.

Zah ka Treansch'n! - Mache kein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter, sonst (...)

Net deppat reden! - Am besten gar nichts mehr sagen, denn "deppat" (dämlich) liegt im Ermessen des Wieners.

Spü di net! - Nicht nur nicht deppat (dämlich) reden, sondern überhaupt keine Geste mehr setzen, bis sich die Lage beruhigt.

Alaa wonn i di scho siech, geri haas. - Der Wiener gesteht den visuellen Ausläufer eines grundsätzlichen Problems mit seinem Gegenüber ein.

Hoit's mi! - Da können Sie ihm nur noch anwesende, gute und kräftige Freunde wünschen.

V. Mentales

Samma si ehrlich. - Aber bitte jeder still für sich und keiner offen zum anderen.

Wie nehma man? - Der Wiener amüsiert sich über einen wankelmütigen oder ungeschickt tätigen Mitmenschen.

Nur net o'strafn. - Mit nichts in Berührung kommen, was _einem irgendwann einmal zum Nachteil gereichen könnte.

Des schau i ma nimma long o. - Wird vor allem von Wienern verwendet, die es sich ewig anschauen.

Mit mir kennan S' des net mochn. - Mit kaum wem anderen so gut wie mit ihm.

Oba i sog da ans. - Er will es sich nicht mehr lang anschauen, denn mit ihm können sie so etwas nicht machen.

Do stöh i mi net hi. - Denn es zahlt sich nicht aus.

Zoit si net aus. - Denn da stellt er sich erst gar nicht hin.

Rentiert si net. - Denn es zahlt sich nicht aus, und deshalb stellt er sich erst gar nicht hin.

Eh ois sinnlos. - Es zahlt sich nicht aus, rentiert sich nicht, und deshalb stellt er sich erst gar nicht hin.

Oba wurscht. - Es zahlt sich nicht aus, rentiert sich nicht, deshalb stellt er sich erst gar nicht hin, aber er leidet nicht darunter.

Eh ois wurscht. - Denn er leidet unter nichts. (Dafür rund um die Uhr.) (Daniel Glattauer, DER STANDARD Printausgabe, 1.12.2007)