Graz - Herr M. kratzt am Auge des Tigers. "Also, wenn sie etwas im Internet suchen, müssen sie unbedingt Copernic 2000 verwenden. Alles andere ist Steinzeit." Herr M. (68) ist ein "Cybersenior". Ein Internetfreak. Sicher führt er die Maus über die zerbeulte Plastikunterlage mit dem Tiger-Emblem. "Nach der Pensionierung ist ja das Hirn das unterbeschäftigste Organ", sagt Herr M. Er will seinen Kopf in Trab halten. Deshalb hat er drei Computer zu Hause. Deshalb surft er täglich bis zu acht Stunden im Internet. Deshalb gibt er sein Computerwissen im Grazer "SeniorenNettCafé", das vom Seniorenreferat der Stadt Graz und vom Verein "Cyberseniors" betrieben wird, an Interessierte seiner Generation weiter. Doch gut die Hälfte der dreißig Senioren, die in Gruppen um die sechs flimmernden Bildschirme im hellen Seitenraum des "Hilmteichschlössls" sitzen, wollen nicht gleich ins Netz. Denn: "Das mit der Maus ist nicht so leicht", murmelt die zarte, ältere Dame fast beschämt. Sie versucht am Computer Solitär zu spielen. Doch der Pfeil zischt noch ungelenk über den Bildschirm. "Über Spiele können Anfänger ihre Hemmschwellen am besten überwinden", meint Projektleiterin Angelika Moser, die das Einstiegsprogramm "Senioren an die Maus" konzipierte. Die Dame, mittlerweile sicherer, stimmt zu: "Ich lege ja zu Hause auch fast jeden Tag Patiencen." Cyberwanderung "Ich will das Matterhorn sehen, da war ich so oft oben" - vor der Bypassoperation. Der 75-Jährige fährt sich durchs schlohweiße Haar. Als ihm der Betreuer über das Internet Bilder vom Matterhorn zeigt, kann er es kaum fassen. Sofort begibt er sich auf eine Bergwanderung "per Mausklick". "Ich brauch’ neue Software und jemanden, der mir hilft", sagt der 75-Jährige mit dem blauen Sportsakko laut. Er kam ins "SeniorNettCafé", weil er auf Computermessen nie beachtet wurde. "Da sind ja die Sechzehnjährigen Berater der Großindustrie", beklagt er. Eine 58-jährige ehemalige Angestellte spielt mit ihrer Steinkette. Ihre Kleidung ist tipptopp. "Ich interessiere mich für Dateiprogramme", sagt sie. "Da könnte ich nämlich meine Kochrezepte und Bücherlisten führen." Sie will sich auch zu Hause einen Internetanschluss zulegen. "Wegen dem E- Mailen. Da kann man, zack- zack, Informationen austauschen." Eine andere Dame will das E-Mail-Schreiben nur lernen, weil ihre Kinder im Ausland leben. Dass das Internetcafé so gut angenommen wird, oft kommen über sechzig Personen und kämpfen um Plätze, wundert Seniorenbüro-Leiterin Ulla Herfort- Wörndle nicht: "Die neuen Senioren wollen ihr Leben aktiver gestalten. Da gehört das Internet dazu." Auch die zahlreichen Zugriffe auf den virtuellen Terminkalender "Seniorworld" (20.000 seit Februar) zeigen, dass die "Cyberseniors" immer umtriebiger werden. Angelika Moser hat ihn aufgebaut. Ihr nächstes Ziel: ein Senioren - Chat-Channel. "Damit die Leute besser ratschen können." Jeden Donnerstag zwischen 14 und 19 Uhr; aber auch Offlinecomputer zum Kennenlernen stehen bereit. SeniorenNettCafé, Hilmteichschlössl, Hilmteichstr. 70, 8010 Graz Do: 14.00 bis 19.00 www.seniorenbuero.at www.seniorworld.at ( Standard -Mitarbeiterin Andrea König D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 23.8. 2000)