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Die Partei "Geeintes Russland" unter der Lupe

Foto: APA/EPA/MAXIM SHIPENKOV
Moskau - In der südrussischen Stadt Krasnodar hat die Polizei am Samstag ein Büro der liberalen Oppositionspartei Union der Rechten Kräfte (SPS) umstellt. Eine Parteisprecherin sagte der Nachrichtenagentur AFP, laut telefonischen Angaben des örtlichen Parteichefs hätten die Polizisten versucht, gewaltsam in das Büro einzudringen. Später seien sie wieder abgerückt, und Männer in Zivil seien an ihre Stelle getreten. Bei ihnen handle es sich mit Sicherheit um Mitglieder des Inlandsgeheimdienstes FSB.

Bekanntestes Mitglied der in den 90er Jahren erfolgreichen Partei SPS ist der Kritiker von Staatspräsident Wladimir Putin, Boris Nemzow. Bei der Parlamentswahl am Sonntag gilt die Partei Einiges Russland mit ihrem Spitzenkandidaten Putin als haushoher Favorit. Der SPS wurden in den Umfragen weniger als zwei Prozent vorhergesagt. Für den Einzug in die Staatsduma sind mindestens sieben Prozent erforderlich.

Amtsmissbrauch

Eine weitere Oppositionspartei bezichtigte Putin am Samstag des Amtsmissbrauchs. Er habe bei der Wahlkommission Beschwerde eingelegt, sagte Sergej Mitrochin von der liberalen Partei Jabloko am Samstag in Radio Echo Moskwi. Dabei beziehe er sich auf eine landesweit im Fernsehen übertragene Rede Putins am vergangenen Donnerstag, in der der Präsident zur Wahl der Partei Einiges Russland aufgerufen hatte.

Putin habe damit "im Interesse einer Partei sein Amt missbraucht", sagte Mitrochin. Zudem müsse den Vorsitzenden anderer Parteien, etwa Jabloko-Chef Grigori Jawlinski, die gleiche Sendezeit in den staatlichen TV-Sendern eingeräumt werden wie Putin. Der Chef der Wahlkommission, Wladimir Tschurow, hat den Auftritt des Präsidenten verteidigt. Der Präsident sei Spitzenkandidat von Einiges Russland und habe deshalb das Recht, für die Partei zu werben.

Sicherheitsaufgebot

Die Parlamentswahl wird nach Medienberichten von einem bisher nie dagewesenen Sicherheitsaufgebot von Polizei und Soldaten gesichert. Der Einsatz von fast einer halben Million Mitarbeiter des Innenministeriums und der Streitkräfte werde zudem erstmals vom russischen Geheimdienst koordiniert, berichtete die Tageszeitung "Kommersant" am Samstag. Jedes der rund 100.000 Wohllokale solle im Schnitt von vier Sicherheitskräften bewacht werden, hieß es unter Berufung auf das Innenministerium.

Rund-um-die-Uhr-Dienst

Zur Verhinderung möglicher Terroranschläge wurden die Polizei und die Truppen in erhöhte Bereitschaft versetzt, berichtete RIA Novosti. Das Personal hat einen Rund-um-die-Uhr-Dienst. Alle Abteilungen des Innerministeriums in Moskau werden durch mobile Gruppen der Sonderpolizei OMON verstärkt. Besonderes Augenmerk der Polizei gelte auch den Bahnhöfen, der U-Bahn und einigen anderen wichtigen Objekten, sagte ein Behördensprecher.

Putin als Spitzenkandidat

Präsident Wladimir Putin geht als haushoher Favorit in die Wahlen. Rund 109 Millionen Wahlberechtigten sind in dem von der Opposition als "Farce" kritisierten Urnengang aufgerufen, die 450 Abgeordneten des Unterhauses zu wählen. In Umfragen kam Geeintes Russland auf mehr als 60 Prozent der Stimmen. Der Staatschef, der im März sein Amt niederlegen muss, strebt eine klare Zweidrittelmehrheit an, um weiterhin eine entscheidende Rolle in Russlands Politik spielen zu können. Die Opposition und regierungskritische Medien wurden im Wahlkampf nach Angaben von Bürgerrechtlern klar benachteiligt.

Erste Teilergebnisse um 19 Uhr

Die ersten Wahllokale sollten am Samstagabend um 21.00 Uhr MEZ in Kamtschatka im fernen Osten Russlands öffnen; neun Stunden später sollte die Wahl in Moskau beginnen. Die letzten Wahllokale sollten am Sonntag um 19.00 Uhr MEZ in der russischen Exklave Kaliningrad schließen; gleich danach sollten erste Teilergebnisse veröffentlicht werden. Kandidaten von elf Parteien stellen sich zur Wahl, doch hatten laut Umfragen nur vier eine realistische Chance, ins Unterhaus in Moskau, die Duma, einzuziehen.

Referendum

Putin, der als Spitzenkandidat für Geeintes Russland antritt, hatte den Urnengang zu einer Art Referendum über seine Regierung erklärt; mit ihrer Stimme für Geeintes Russland würden die Russen Stabilität und Wirtschaftswachstum wählen. "Das Ergebnis der Parlamentswahl wird zweifellos die Vorgabe für die Wahl eines neuen Präsidenten sein", hatte Putin gesagt.

Über seine Absichten nach einem Wahlsieg wird seit Monaten spekuliert. Die russische Verfassung untersagt dem seit 2000 amtierenden und 2004 wiedergewählten Staatschef ein drittes Mandat. An der Spitze seiner mächtigen Partei könnte Putin durchaus Regierungschef oder Parlamentspräsident werden. Manche Beobachter schließen nicht aus, dass er selbst wieder Herr im Kreml wird - nach einem Zwischenspiel eines von ihm ausgewählten Nachfolgers an der Staatsspitze. (APA/AFP/Reuters)