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Der derzeitige liberale wallonische Finanzminister Didier Reynders gilt als klarer Favorit für den neuen Auftrag zur Regierungsbildung in Belgien.

Foto: Reuters/Roge
Drei Fragen wollte der Chef der flämischen Christdemokraten, Yves Leterme, ultimativ bis Samstag, 9 Uhr, von seinen potenziellen Regierungspartnern mit Ja beantwortet wissen: Stimmen Sie einer umfassenden Staats- und Föderalismusreform zu? Erhalten die Bundesländer eine begrenzte Steuerautonomie? Kann eine Zweidrittelmehrheit zur Änderung der Verfassung ohne frankophone Oppositionsparteien gefunden werden? Ausgerechnet die Schwesterpartei, die Christdemokratie aus der Wallonie, verabschiedete sich daraufhin aus den Koalitionsverhandlungen. Leterme musste den Auftrag zur Regierungsbildung zurückgeben. Abgeordnete sprachen von einer „nationalen Krise“. Zeigten die drei Fragen doch genau den Konflikt auf, der seit den Wahlen vom 10. Juni die Gespräche lähme. Finanzielle Interessen Die flämischen Parteien wollen eine umfassende Staatsreform, die den einzelnen Bundesländern große finanzielle und verwaltungstechnische Freiheiten bringen würde – auf Kosten der Bundesregierung in Brüssel. Die französischsprachigen Wallonen sind strikt dagegen. Dahinter liegen massive finanzielle Interessen: Der wirtschaftlich schwache Süden mit seinen Krisenregionen rund um die ehemaligen Stahlhochburgen bei Charleroi und Namur wird jährlich vom flämischen Norden mit rund zehn Milliarden Euro pro Jahr über den Finanzausgleich „subventioniert“. Hinter dem Versuch, den Bundesländern größere Steuerfreiheiten zuzubilligen, steht die Absicht, diesen Geldtransfer vom Norden in den Süden deutlich zu verringern. Die wallonischen Parteien bezeichnen das auch als „Vorbereitung für die Spaltung“ Belgiens. Bevölkerungszahlen Zusätzlich wollte Leterme auch mit ungeschriebenen Gesetzen aufräumen: Bei Vorhaben, die auch die Wallonen betrafen, war es bisher üblich, sie nicht mit der flämischen Mehrheit im Parlament zu überstimmen. Aufgrund der Bevölkerungszahlen haben die Flamen 88 Abgeordnete, die Wallonen nur 62. Mit seiner dritten Frage wollte Leterme die Zusicherung seiner Partner, auch gegen den Willen der Wallonen die Staatsreform durchzusetzen. König Albert II. empfing am Sonntag den noch immer amtierenden Premier Guy Verhofstadt zu Beratungen. Vermutlich wird dieser mit Sondierungsgesprächen beauftragt. Für die eigentlichen Koalitionsverhandlungen gilt dann der Chef der wallonischen Liberalen, Didier Reynders, als Favorit. Und auch die wallonischen Grünen, Ecolo, sollen in die Verhandlungen eingebunden werden. Keine Option ist für Reynders, die zweitstärkste wallonische Partei, die Sozialisten, einzubeziehen. Er will zuerst mit Christdemokraten in beiden Landesteilen sprechen. (Michael Moravec aus Brüssel/DER STANDARD, Printausgabe, 3.12.2007)